Fernsehjournalismus

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Definition:
Fernsehjournalismus ist der Teil des Fernsehens, in dem Informations- und Unterhaltungsangebote in Form von visuell dominierten, journalistischen Beiträgen gezeigt werden. Filme, Serien, Shows, Spiele und Musik gehören in diesem Sinne nicht dazu, sondern sind der fiktionalen bzw. non-fiktionalen Unterhaltung zuzurechnen.

Fernsehjournalismus kommt in unterschiedlichen Formaten vor: → Nachrichten, Magazine, → Reportagen, → Features, Talkshows und (Live-)Berichterstattung etwa zu öffentlichen Gefahrenlagen, politischen oder Sportereignissen, Adelshochzeiten sowie sonstigen als Events bezeichneten Veranstaltungen. Im Groben umfasst der Fernsehjournalismus thematisch die Bereiche Information und Meinungsbildung zu allen gängigen Ressorts: Neben den sehr präsenten Sparten der → Politik und des Sports gehören dazu Wirtschaft und Soziales, Regionales, → Lokales, Kultur, Wissenschaft, Technik, Medizin und Gesellschaft, Sach- und Ratgeberthemen und Berichte mit Human-Touch-Charakter.

Geschichte:
In Deutschland war der Anfang des Fernsehjournalismus stark geprägt von der Propaganda der Nationalsozialisten in den 1930er Jahren (siehe → Fernsehprogramm). Tendenz und Vereinnahmung änderten sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Zunächst konzentrierten sich die Programmmacher auf Nachrichtensendungen und Live-Übertragungen (etwa von Konzerten oder Sportwettbewerben). Später kamen Reportagen hinzu. Im Laufe der 1960er Jahre entwickelten sich die Magazinsendungen und mit ihnen der investigative Journalismus im Fernsehen, vor allem die kritische Beobachtung der Politik. Mit Einführung der privaten Sender Anfang der 1980er Jahre änderte sich der Fernsehjournalismus zunächst kaum, da sich die Privatsender inhaltlich auf Unterhaltungsprogramme wie Shows, Filme und Serien konzentrierten. Einfluss nahmen die privaten fernsehjournalistischen Formate im Laufe der Jahre vor allem durch ihre Produktionsweise (u.a. durch Kameraführung, schnelle Schnitte und Musikeinsatz) und die fernsehgerechte Ausgestaltung des Boulevardjournalismus. Die Aufmerksamkeit der Rezipienten bewirkte, dass sich der Fernsehjournalismus der öffentlich-rechtlichen Sender mit der Zeit anpasste; ein verstärkter Infotainment-Charakter in etablierten sowie neuen Formaten war die Folge.

Gegenwärtiger Zustand:
Obwohl die Zuschauer in Deutschland Informationssendungen im Fernsehen zunehmend nicht mehr einschalten, ist der Fernsehjournalismus immer noch wichtiger Bestandteil des Fernsehprogramms und Hauptinformationsquelle der Deutschen (vgl. Reitze 2015: 65f.). Die Nachrichtensendungen der so genannten Vollprogramme haben hohe Einschaltquoten. Besonders beliebt sind seit einigen Jahren Ratgebersendungen und Verbrauchermagazine. Hinzu kommen (politische) Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (wie Hart, aber fair/ARD, Maybrit Illner/ZDF), die trotz vieler Kritik weiterhin relativ hohe Einschaltquoten verzeichnen. Politische Magazine hingegen (wie Report Mainz/ARD, Frontal21/ZDF, vgl. Huber 2011, 2016; Schröder 2014) haben in den vergangenen Jahren Zuschauer verloren. Gleiches gilt für Reportagen und Dokumentationen. Druck auf den Fernsehjournalismus üben das Internet und mobile Geräte wie Smartphones aus, insbesondere bei der Verbreitung aktueller Nachrichten. Die Fernsehsender haben sich diesem Wettbewerb angepasst und vertreiben ihre Inhalte auch auf Webseiten, in Mediatheken und über Apps.

Forschungsstand:
Im Mittelpunkt der fernsehjournalistischen Forschung stehen zur Zeit mehrere Aspekte. Ein Teil widmet sich dem Nutzungsverhalten der Zuschauer: Welche Sendungen sehen sie im Internet, was wird im linear übertragenden Fernsehen noch geschaut? Dabei scheinen sich Nutzungsmuster zu verändern (vgl. Egger/van Eimeren 2016). Ein anderer Teil der Forschung untersucht, in welchen Bereichen Information und Unterhaltung Schnittmengen bilden – fokussiert auf Inhalte, Rezeptionsprozesse und Wirkungen.

Literatur:

die Medienanstalten – ALM GbR (Hrsg.): Programmbericht 2013. Fernsehen in Deutschland. Programmforschung und Programmdiskurs. Berlin [Vistas] 2014. Der Programmbericht ist hier vollständig als PDF-Datei abrufbar.

Dohle, Marco; Gerhard Vowe (Hrsg.): Politische Unterhaltung – Unterhaltende Politik. Forschung zu Medieninhalten, Medienrezeption und Medienwirkungen. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2014.

Egger, Andreas; Birgit van Eimeren: Bewegtbild im Internet: Markt und Nutzung digitaler Plattformen. Analyse des Marktumfelds und empirische Ergebnisse aus der ARD/ZDF-Onlinestudie. In: Media Perspektiven, 2, 2016, S. 108-119. Der Artikel ist hier als PDF abrufbar.

Hasebrink, Uwe; Jan-Hinrik Schmidt: Medienübergreifende Informationsrepertoires. Zur Rolle der Mediengattungen und einzelner Angebote für Information und Meinungsbildung. In: Media Perspektiven, 1, 2013, S. 2-12. Der Artikel ist hier als PDF-Datei abrufbar.

Huber, Joachim: Nachlassende Sehkraft. Format außer Form. Bald unter ferner liefen? Den politischen Magazinen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geht es schlecht. In: Der Tagesspiegel online, 20.09.2011. http://www.tagesspiegel.de/medien/nachlassende-sehkraft-format-ausser-form/4628456.html

Huber, Joachim: Studie zu politischen Magazinen im Fernsehen. Medienexperte empfiehlt Aus für „Kontraste“ und „Fakt“. In: Der Tagesspiegel online, 05.07.2015. http://www.tagesspiegel.de/medien/studie-zu-politischen-magazinen-im-fernsehen-medienexperte-empfiehlt-aus-fuer-kontraste-und-fakt/12010394.html

Reitze, Helmut (Hrsg.): Media Perspektiven. Basisdaten. Daten zur Mediensituation in Deutschland 2015. Frankfurt/M. [Hessischer Rundfunk/ARD-Werbung] 2015. Die Daten sind hier als PDF abrufbar.

Schröder, Jens: Langzeit-Analyse: Wie geht es eigentlich den TV-Polit-Magazinen? In: MEEDIA.de, 04.09.2014. http://meedia.de/2014/09/04/langzeit-analyse-wie-geht-es-eigentlich-den-tv-polit-magazinen/

Weischenberg, Siegfried, Hans J. Kleinsteuber, Bernhard Pörksen (Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz [UVK] 2005.

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*1974, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik der TU Dortmund und forscht im Bereich der politischen Kommunikation. Er leitete unter anderem die Lehrredaktion Fernsehen (do1). Mike Kortsch hat beim Norddeutschen Rundfunk volontiert und viele Jahre als Autor, Redakteur und Regisseur für die ARD, das ZDF und Arte gearbeitet. Kontakt: mike.kortsch (at) tu-dortmund.de