Spannung

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Spannung_ThomasWolter_pixabay_comWortherkunft: Ableitung vom Stamm des Verbes ‘spannen’, das wohl vom ahd. spannan aus dem neunten Jahrhundert abstammt und sich ursprünglich vor allem auf das Spannen einer Bogensehne bezog

Spannung ist eine Eigenschaft, die Aufmerksamkeit und Interesse erregt, verbunden mit einem auf die Zukunft gerichteten starken Interesse an der Auflösung einer Situation. Der Journalismus nutzt Spannung vorwiegend in subjektiv geprägten, erzählenden Genres wie → Feature oder → Reportage als anregendes Element und damit letztlich zur Steigerung der Unterhaltsamkeit und Verständlichkeit von Beiträgen.

Während der klassische Aufbau journalistischer → Nachrichten in Form einer (umgekehrten) Pyramide darauf abzielt, Spannung zu eliminieren, indem die wichtigste Information den Rezipienten als erstes vermittelt wird, lassen erzählende journalistische Genres wie die Reportage oder das → Porträt Autoren größere Freiheiten. Gerade Beiträge mit dem Ziel, Rezipienten über eine längere Zeitspanne zu fesseln, sind darauf angewiesen, entsprechende Anreize zu schaffen. Göpfert etwa nennt in diesem Zusammenhang die Eigenschaft von Beiträgen, durch Spannung Aha-Effekte zu erzeugen, als einen Aspekt des Qualitätsmerkmals Unterhaltsamkeit. Als solcher lässt Spannung sich zudem in das von Inghard Langer u. a. entwickelte Hamburger Modell der → Verständlichkeit einordnen – als Teil der Verständlichkeitsdimension ‘Anregende Zusätze’. Richtig eingesetzt können Spannungsbögen, eingestreute Fragen und andere Techniken zur Erzeugung von Spannung danach nicht nur die → Unterhaltsamkeit von Beiträgen erhöhen, sondern auch ihre Verständlichkeit.

Von besonderer Bedeutung ist Spannung allerdings nicht nur in erzählenden Darstellungsformen, sondern auch für kurze Textelemente, die eigens dazu geschaffen sind, Mediennutzer zur Rezeption von Beiträgen anzuregen, etwa in Überschriften und Bildern. Indem hier gezielt Fragen aufgeworfen werden, die – so das implizite Versprechen einer derartigen Aufmachung – im Beitrag selbst beantwortet werden, wird ein Anreiz geschaffen, sich eingehender mit einem Beitrag auseinanderzusetzen. Wichtig sind derartige Techniken, vom Stellen einer Frage in einer → Überschrift bis hin zum verpixelten Foto auf der Startseite einer Website – vor allem für diejenigen Medien, die darauf angewiesen sind, Mediennutzern ohne hohe intrinsische Nutzungsmotivation (also unabhängig und aus sich selbst heraus) einen Teil ihres Zeitbudgets abzutrotzen. In diese Gruppe können klassische, am Kiosk verkaufte Boulevardzeitungen ebenso fallen wie Reportage-Magazine im Fernsehen oder Special-Interest-Magazine, die soziale Netzwerke gezielt zur Erzeugung von Traffic (d.h. Besucherstrom und damit hohe Zugriffszahlen) auf ihrer Website einsetzen wollen.

Literatur:

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (Hrsg.): Spannung. Warum wir Medieninhalte interessant finden. In: tv diskurs, 63(1), 2013, S. 18-53

Göpfert, Winfried: Publizistische Qualität: ein Kriterien-Katalog. In: Bammé, Arno; Ernst Kotzmann; Hasso Reschenberg (Hrsg.): Publizistische Qualität. Probleme und Perspektiven ihrer Bewertung. München/Wien [Profil] 1993, S. 99-109

Handstein, Holger: Qualität im lokalen Zeitungsjournalismus. Theoretischer Entwurf und empirische Fallstudie. München [AVM] 2010

Langer, Inghard; Friedemann Schulz von Thun; Reinhard Tausch: Sich verständlich ausdrücken. 9. Auflage. München [Ernst Reinhardt] 2011

Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Köln [Böhlau/UTB] 2008

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*1976, Dr., hat an der Technischen Universität Dortmund zum Thema Qualität im Journalismus promoviert. Er arbeitet als Kommunikationsberater in Köln. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Qualität im Journalismus, Verhältnis von Journalismus und PR. Kontakt: post (at) handundstein.de Holger Handstein hat einen Einführungsbeitrag zum Thema → Qualität im Journalismus geschrieben.