Unterhaltsamkeit

6389

Wortherkunft: Substantivierung des Verbs ‚unterhalten‘; abstammend vom spätmhd. ‚underhalten‘ sowie beeinflusst von frz. gleichbedeutend ‚entretenir‘

Als journalistisches Qualitätsmerkmal bezeichnet Unterhaltsamkeit die Eigenschaft eines Beitrags, aktiv zur Rezeption anzuregen und bei der Rezeption Freude zu bereiten. Die Qualitätsdimension Unterhaltsamkeit ist eng verwandt mit der → Verständlichkeit. Dies zeigt sich daran, dass das weit verbreitete Hamburger Modell der Verständlichkeit mit der Betonung der Bedeutung ‚Anregender Zusätze‘ in Texten bereits einen Aspekt enthält, der über die bloße Optimierung der passiven Rezipierbarkeit durch Einfachheit und eine gute Textstruktur hinausgeht.

Journalistische Beiträge sind nach Winfried Göpfert (1993) dann unterhaltsam, wenn sie das individuelle Interesse der Rezipienten treffen, Phantasie und Aktivität anregen, Informationen mit Spaß und Witz vermitteln, fesseln und durch → Spannung ‚Aha-Effekte‘ erzeugen. Unterhaltsamkeit in diesem Sinne ist nach Horst Pöttker (2010: 17) eine Eigenschaft, die für die Herstellung von Öffentlichkeit förderlich ist. Pöttker grenzt daher Unterhaltung deutlich von der Zerstreuung ab (ebd.: 17f.). Letztere behindert die Aufnahme unvertrauter Informationen tendenziell. Dagegen führt die Unterhaltsamkeit als Merkmal, das der Aufgabe des Journalismus dienlich ist, die Rezipienten zu solchen Inhalten erst hin. Unterhaltung ist im Journalismus eng an bestimmte Genres gebunden, die geeignet sind, Emotionen, Subjektivität und Humor zu transportieren. Zu diesen Genres zählen etwa Glosse, Satire und → Reportage.

Unterhaltsamkeit war historisch schon zu einem frühen Zeitpunkt Bestandteil des (Zeitungs-)Journalismus. So enthielt der im 17. Jahrhundert erschienene Nordische Mercurius Verse, feuilletonistische Elemente und eine literarische Utopie. Die der gleichen Epoche entstammende Zeitung Relation aus dem Parnasso veröffentlichte Korrespondentenberichte in der Form subjektiver Reiseerzählungen. Unterhaltender Darstellungsformen, etwa der Veranschaulichung von Ereignissen in Form filmähnlicher Illustrationsfolgen, bedienten sich sogar bereits die Neuen Zeitungen des 16. Jahrhunderts. Im Verlauf der Zeit gewann die Unterhaltsamkeit weiter an Bedeutung. Dies zeigte sich insbesondere im Deutschen Kaiserreich, als viele Zeitungen ihren Umfang ausweiteten. Davon profitierten vor allem → Feuilleton und Unterhaltungsteil. So konnte eine Inhaltsanalyse des Hamburgischen Correspondenten nachweisen, dass „phantasiebetonte Darstellungsformen“ 1906 ein Fünftel des Zeitungsinhalts ausmachten – 50 Jahre zuvor waren es lediglich zwei Prozent gewesen (vgl. Wilke 1998: 92, zit n. Wilke 1984).

Literatur:

Göpfert, Winfried: Publizistische Qualität: Ein Kriterien-Katalog. In: Bammé, Arno; Ernst Kotzmann; Hasso Reschenberg (Hrsg.): Publizistische Qualität. Probleme und Perspektiven ihrer Bewertung. München/Wien [Profil] 1993, S. 99-110

Pöttker, Horst: Zur Bedeutung des Sprachgebrauchs im Journalistenberuf. In: Kurz, Josef; Daniel Müller; Joachim Pötschke, Horst Pöttker; Martin Gehr: Stilistik für Journalisten. 2. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2010, S. 9-20

Wilke, Jürgen: Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Eine Modellstudie zur Verbindung von historischer und empirischer Publizistikwissenschaft. Berlin/New York [De Gruyter] 1984

Wilke, Jürgen: Geschichtliche Bedingungen und Erscheinungsformen der Medien-Kulturkommunikation. In: Saxer, Ulrich (Hrsg.): Medien-Kulturkommunikation. Publizistik Sonderheft, 2, 1998. Opladen/Wiesbaden [Westdeutscher Verlag] 1998, S. 89-96

Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. 2. Auflage. Köln [Böhlau/UTB] 2008

Vorheriger ArtikelNewsroom
Nächster ArtikelZeugnisverweigerungsrecht
*1976, Dr., hat an der Technischen Universität Dortmund zum Thema Qualität im Journalismus promoviert. Er arbeitet als Kommunikationsberater in Köln. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Qualität im Journalismus, Verhältnis von Journalismus und PR. Kontakt: post (at) handundstein.de Holger Handstein hat einen Einführungsbeitrag zum Thema → Qualität im Journalismus geschrieben.