Ökonomie des Journalismus

Eine Einführung von Wolfgang Mühl-Benninghaus

Wortherkunft: lat. oeconomia = gehörige Einteilung, griech. oikonomía = Haushaltung, Verwaltung

Unter den Begriff der Ökonomie des Journalismus fallen in Deutschland vor allem Rendite, Pressekonzentration, Outsourcing, Verkaufserlöse, Marketing, Anzeigeneinnahmen, Börsennachrichten, Finanzjournalismus, Verlag, Markttransparenz und Stiftungsmodelle. Medien sind Wirtschafts- und Kulturgüter und haben damit stets eine doppelte Gutseigenschaft. Mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden journalistische Inhalte, die alle zur Durchsetzung der Meinungsvielfalt beitragen sollen, von gewinnorientierten Unternehmen produziert. Der Journalismus ist somit in ökonomische Notwendigkeiten eingebunden. Von daher unterliegt der Journalismus jeweils spezifischen Produktions-, Distributions- und Konsumtionsbedingungen. Die zentralen Fragestellungen der Ökonomie des Journalismus sind demnach drei strukturelle Betrachtungsebenen: eine makroökonomische, die mikroökonomische, die sich mit den konkreten Handlungsoptionen beschäftigt, und die inhaltliche Seite.

Die makroökonomische Ebene beschäftigt sich mit der Marktbeschreibung, der Beschreibung der Unternehmen sowie der Darstellung der Rezeptionsebene. Aus dieser Perspektive bildet die Frage nach der Finanzierbarkeit journalistischer Inhalte einen zentralen Punkt. Die unternehmerische Primärabsicht ist im Medienbereich – wie auch in allen anderen Unternehmen – die Maximierung der Rendite. In diesem Kontext kommt den Anzeigen- und Vertriebserlösen eine besondere Bedeutung zu. Die auf dem Pressemarkt abnehmenden Absatzzahlen und die verminderten Reichweiten bedingten in den vergangenen Jahren grundlegende strukturelle Veränderungen. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte lagen die Verkaufserlöse bei deutschen Zeitungen im Jahr 2009 über denen der Anzeigen. Um die Renditen trotz des sich verschlechternden Marktumfeldes zu sichern, greifen die Verlage und Sender wie in anderen volkswirtschaftlichen Bereichen zu vergleichbaren Mitteln: Verbesserung der Technik, Outsourcing, Entlassungen von Mitarbeitern und verschiedenste Formen des Marketings.

Ein weiterer makroökonomischer Betrachtungspunkt ist die zunehmende Unternehmenskonzentration und die daraus resultierende Wettbewerbslage sowohl im Marktsegment der Verlage als auch bei Hörfunk und Fernsehen. Dieser Sachverhalt betrifft einerseits die Verhältnisse zwischen den Medienunternehmen untereinander und andererseits die zwischen den Unternehmen und ihren Interessenvertretern (fachlich: Stakeholdern) also vor allem den Journalisten wie nachfrageorientierten Öffentlichkeiten. Ein weiteres zentrales Feld dieses Blickwinkels sind die seit den 1970-er Jahren zunehmenden Tendenzen der Internationalisierung sowie die wachsenden Unternehmensverschachtelungen mit schwer durchschaubaren Beteiligungen an einzelnen Medienunternehmen, also die Markttransparenz. Noch weitgehend unerforscht sind die bisher auf dem Medienmarkt vereinzelt auftretenden Stiftungs- und Crowdfunding-Modelle sowie Blogs als finanzielle und inhaltliche Alternativen zu den tradierten Medienangeboten.

Die mikroökonomische Betrachtungsebene beschäftigt sich mit den konkreten Handlungsgebieten von Journalisten unter Berücksichtigung organisatorischer arbeitsvertraglicher, formeller und informeller Tätigkeitsumgebungen bis hin zu Eignungs- und Auswahlverfahren sowie der Bezahlung der Mitarbeiter. Unter Einbeziehung des jeweils konkreten publizistischen Beitrags stellt sich aus medienökonomischer Perspektive auf dieser Betrachtungsebene auch die Frage nach dem Verhältnis von Mitarbeiter und Redaktion. Alle diese Aspekte betreffen die festen, die festen Freien sowie die freien Mitarbeiter gleichermaßen.

Der dritte Blickwinkel ist inhaltlicher Seite, also Wirtschafts-, Börsen- und Finanznachrichten, als die gegenwärtig wichtigsten journalistischen Inhalte auf dem Gebiet der Ökonomie des Journalismus.

Literatur:

Beck, Hanno: Medienökonomie. Print, Fernsehen und Multimedia. Berlin/Heidelberg [Springer-Verlag] 2011

Beyer, Andrea; Petra Carl: Einführung in die Medienökonomie. Konstanz [UTB/UVK] 2012

Rimscha, Bjørn von; Gabriele Siegert: Medienökonomie. Eine problemorientierte Einführung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2015

Wolfgang Mühl-Benninghaus
*1953, Prof. Dr., ist Wirtschaftshistoriker und Professor für Theorie und Geschichte des Films an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort hat er seit über 20 Jahren zudem das Amt des geschäftsführenden Direktors für Theaterwissenschaft und Kulturelle Kommunikation inne. Arbeitsschwerpunkte: Film-, Fernseh- und Hörfunkgeschichte, Medienökonomie. Kontakt: wolfgang.muehl-benninghaus (at) culture.hu-berlin.de Zur Ökonomie des Journalismus hat Wolfgang Mühl-Benninghaus einen → Einführungsbeitrag geschrieben.