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Redaktionsorganisation

Eine Einführung von Bernd Blöbaum

Redaktionsorganisation steht für die Redaktion eines Medienunternehmens und bezeichnet den Aufbau und die Abläufe in einer Medienredaktion. Der Begriff verdeutlicht, dass die Produktion von Medieninhalten in einer Struktur nach spezifischen Regeln und Routinen abläuft. Die Redaktionsorganisation eines Mediums ist die Redaktion, die bei vielen Medien entlang bestimmter Themen- und Ereignisfelder (Ressorts wie Sport, Politik, Wissenschaft) oder Tätigkeiten (etwa Planungs-Redaktion, Recherche-Redaktion) in Subredaktionen ausdifferenziert ist. Personell setzt sich die Redaktion aus Redakteuren zusammen, die über ihre Mitgliedsrolle Teil der Redaktion sind.

Die historische Entwicklung von Redaktionen ist gekennzeichnet durch Größenwachstum und Spezialisierung. Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Aufgaben von Satz, Druck, Sammeln und Bearbeiten von → Nachrichten sowie Anzeigenwesen kaum getrennt. Insbesondere ab Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich redaktionelle Einheiten in den Medienunternehmen, die sich von verlegerischen und technischen Tätigkeiten abgrenzten und auf die Sammlung, Verarbeitung und Präsentation von aktuellen und relevanten Nachrichten spezialisierten.

Die Journalismusforschung analysiert, wie Redaktionen aufgebaut sind, wie die Arbeits-, Kommunikations- und Entscheidungsprozesse in ihnen ablaufen und nach welchen Regeln und mit welchen Routinen Redaktionen agieren. Die Pionierstudie zur Redaktionsforschung in Deutschland hat Manfred Rühl 1969 veröffentlicht: Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System.

Auf der Basis von Beobachtungen und Gesprächen in der Redaktion einer Regionalzeitung schildert der Wissenschaftler, wie redaktionelle Entscheidungen zustande kommen, wie die Redaktion mit anderen Abteilungen des Medienunternehmens und mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt kommuniziert.

Die Redaktionsforschung hat herausgearbeitet, dass Redaktionsorganisationen vertikal entlang einer Hierarchie (Chefredaktion, Redaktionsleiter, Redakteur, Volontär) und horizontal (Politik-, Sport-, Wirtschaftsredaktionen etc.) differenziert sind. Teilredaktionen arbeiten jeweils auf Grundlage von eigenen redaktionellen Entscheidungsprogrammen, die Redakteure in ihrer → Ausbildung und während ihrer beruflichen Sozialisation erlernen. Redaktionsmitglieder haben diese Programme anzuerkennen. Die Ausgestaltung der redaktionellen Programme ist abhängig von den spezifischen Umweltbereichen (thematisch wie Kultur und Sport oder aber räumlich gesehen wie Überregionales und Lokales) oder Tätigkeiten (wie Recherchieren, Gestalten, Koordinieren), auf die sich die Redaktionsmitglieder spezialisiert haben, sowie von den Redaktionszielen (z. B. Information, Unterhaltung, Aufdeckung). Die Koordination der Gesamtredaktion sowie der Teilredaktionen erfolgt über Redaktionskonferenzen, in denen die inhaltliche Planung und die Arbeitsprozesse abgesprochen werden.

Ökonomische und technische Bedingungen haben die Redaktionsorganisation immer beeinflusst. Nach einer Phase des Ausbaus von Redaktionen seit den 1970er Jahren und der Entstehung von neuen redaktionellen Einheiten (z. B. Medien- und Wissenschaftsredaktionen) verlieren Redaktionen etwa seit dem Jahr 2000 eher festangestellte Redakteure. Mit Online-Redaktionen reagieren aktuelle Massenmedien auf die Prozesse der Digitalisierung. In modernen Redaktionen wird die aktuelle Medienproduktion in so genannten Newsrooms bzw. am Newsdesk gesteuert. Dort sind alle Teilredaktionen und Vertriebswege vertreten. Redaktionen haben sich – auch unter ökonomischem Druck – dahingehend verändert, dass sie immer mehr zur koordinierenden, planenden und entscheidenden Zentraleinheit geworden sind, die von (freien) Journalisten angelieferte Themen verarbeitet.

Literatur:

Altmeppen, Klaus-Dieter: Redaktionen als Koordinationszentren. Beobachtungen journalistischen Handelns. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1999

Meier, Klaus: Ressort, Sparte, Team. Wahrnehmungsstrukturen und Redaktionsorganisationen im Zeitungsjournalismus. Konstanz [UVK] 2002

Rühl, Manfred: Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System. 2. Auflage. Freiburg im Üchtland [Universitätsverlag] 1979

Bernd Blöbaum
*1957, ist seit 2001 Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medientheorie und Medienpraxis an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsschwerpunkte: Journalismusforschung, Wissenschaftskommunikation, Medien und Vertrauen. Kontakt: bernd.bloebaum (at) uni-muenster.de Zum Thema Redaktionsorganisation hat Bernd Blöbaum einen → Einführungsbeitrag geschrieben.

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