Corporate Publishing

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verfasst zusammen mit → Cornelia Wolf

Wortherkunft: Corporate Publishing bezeichnet übersetzt ,Unternehmens-Veröffentlichungen‘. Der Begriff findet allerdings im englischen Sprachraum keine Verwendung; hier wird in der Regel von Corporate Media gesprochen (Bentele 2013).

Definition:
Bei Corporate Publishing (CP) handelt es sich um eine journalistisch geprägte, meist periodisch erscheinende, Form der Unternehmenskommunikation, die mit eigenen Medien praktiziert wird. CP stellt also eine Form von Owned Media dar: Die kommunizierende Organisation betreut und kontrolliert die jeweiligen Medien selbst, wobei deren Form zunächst unerheblich ist. Neben traditionellen Printprodukten für Stakeholder wie Kunden, Mitarbeitende oder Mitglieder sind auch andere Medien wie etwa digitale Kanäle denkbar, soweit diese selbst verantwortet werden.

Die Funktion variiert offenkundig mit dem angestrebten Ziel: CP kann gleichermaßen informieren, unterhalten und der Vertiefung der Beziehung zu den genannten Stakeholdergruppen dienen. Zunächst einmal ist es notwendig, Journalismus und Corporate Publishing voneinander abzugrenzen. Während Journalismus der → Öffentlichkeit „periodisch aktuelle, relevante und primär non-fiktionale → Inhalte zur Verfügung“ stellt (Wolf 2014: 72) und so eine „Trias aus Informations-, Bildungs- und Unterhaltungsfunktion“ erbringt (Godulla 2017: 53), handelt es sich bei CP um eine Form der strategischen Kommunikation von Organisationen (vgl. Argenti 2013; Hallahan et al. 2007). CP kann also angelehnt an Weichler (2014: 770) als Teil der Unternehmenskommunikation beschrieben werden, der „sich der Mittel des Journalismus bedient, um die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu erreichen, die für das Unternehmen relevant sind. Das Corporate Publishing zielt dabei in erster Linie auf Kundenbindung, Imageaufbau und Absatzförderung ab.“ Ein aktuelles Beispiel für den Einsatz von Techniken des Journalismus im CP stellt beispielsweise das → multimediale Storytelling dar, das auf beiden Feldern gleichermaßen anzutreffen ist (Godulla/Wolf 2017).

Geschichte:
Die im CP genutzten Medien entstanden zum Teil bereits vor dem übergeordneten Begriff selbst. So ist als erste Zeitschrift für Mitarbeitende in Deutschland der Schlierbacher Fabrikbote (1888) dokumentiert. Als Reaktion auf die fortschreitende Industrialisierung und das damit verbundene Anwachsen der sozialen Schicht der Arbeiter wurde der Bedarf gesehen, einen regelmäßigen Kontakt zwischen der Belegschaft und der Unternehmensleitung herzustellen (Marinkovic 2009). Als Beginn der Geschichte der Kundenzeitschrift in Deutschland kann das Entstehen der Zeitschrift Norddeutsches Handwerk gelten. Sie wurde von den Handwerkskammern Niedersachsen und Magdeburg herausgegeben. → Verlage begannen 1909 damit, Branchenzeitschriften Einzelhändlern zum Kauf anzubieten (Weichler/Endrös 2010). Um die Jahrtausendwende war eine Neuordnung der Branche zu beobachten: Auf die Auflösung des Verbands der Kundenzeitschriftenverleger (1992/93) folgte 1999 die Gründung des Verbands Forum Corporate Publishing (FCP, heute CMF) (Bentele/Hoepfner/Liebert 2015).

Gegenwärtiger Zustand:
Da sich viele Unternehmen in offensichtlich gesättigten Märkten bewegen, gewinnt eine persönliche Zielgruppenansprache weiter an Bedeutung. Dabei wird ein Optimierungsbedarf in der Zielgruppengenauigkeit sowie der Messung der Kommunikationsleistung von CP konstatiert (Weichler 2014). Als Reaktion auf die Digitalisierung und die Etablierung von
Crossmedialität kann, analog zum → Newsroom im Journalismus, die Einrichtung von Corporate Newsrooms gewertet werden. Dabei gleichen sich die Trends in der Kommunikation – beispielsweise darin, Zielgruppen Dialoge mit Produzierenden durch digitale Medien zu ermöglichen. Üblicherweise wird dies auf → sozialen Netzwerken praktiziert, wo das → Publikum kommunikative Aktivitäten der Unternehmen kommentieren kann. Die Ausbildung für CP weist im deutschsprachigen Raum überwiegend keine feste Struktur auf. Da es an exklusiv für CP ausgebildeten Fachkräften mangelt, stellt der Journalismus ein wichtiges Rekrutierungsfeld dar. Weitere wichtige Bezugsfelder für CP sind Public Relations und Marketing (Bentele et al. 2015), wo ebenfalls Mitarbeitende gewonnen werden können.

Forschungsstand:
Der Branchenverband CMF führt regelmäßig Studien durch, die sich mit der praktischen Gestaltung von CP auseinandersetzen und Trends identifizieren. Aus theoretisch-fundierter Perspektive mangelt es jedoch an Veröffentlichungen, die CP in seiner Gänze wissenschaftlich aufbereiten und einordnen. Tendenziell werden eher ausgewählte CP-Medien oder betriebswissenschaftliche Aspekte wie beispielsweise ihr Wertschöpfungsbeitrag aufgegriffen. Einschlägige Sammelwerke (siehe Literatur) eröffnen alternativ einen allgemeineren Blick auf CP, wobei Aspekte wie Geschichte oder Anwendungsorientierung adressiert werden. Neue Paradigmen der Unternehmenskommunikation bleiben konkret auf CP bezogen oft noch unberücksichtigt.

Literatur:

Argenti, Paul A.: Corporate Communication. 6. Auflage. New York [McGraw-Hill] 2013.

Bentele, Günter: Corporate Publishing. In: Bentele, Günter; Hans-Bernd Brosius; Otfried Jarren (Hrsg.): Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden [Springer VS], 2013, S. 46.

Bentele, Günter; Jörg Hoepfner; Tobias Liebert: Corporate Publishing. In: Bentele, Günter; Romy Fröhlich; Peter Szyszka: Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. 3. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2015, S. 1039-1054.

Godulla, Alexander: Öffentliche Kommunikation im digitalen Zeitalter: Grundlagen und Perspektiven einer integrativen Modellbildung. Wiesbaden [Springer VS] 2017.

Godulla, Alexander; Cornelia Wolf: Digitale Langformen im Journalismus und Corporate Publishing. Scrollytelling – Webdokumentationen – Multimediastorys. Wiesbaden [Springer VS] 2017.

Hallahan, Kirk; Derina R. Holtzhausen; Betteke van Ruler; Dejan Verčič; Krishnamurthy Sriramesh: Defining strategic communication. In: International Journal of Strategic Communication, 1(1), 2013, 3–35. doi:10.1080/15531180701285244.

Marinkovic, Daniel: Die Mitarbeiterzeitschrift. Konstanz [UVK Verlagsgesellschaft mbH] 2009.

Weichler, Kurt; Stefan Endrös: Die Kundenzeitschrift. 2., überarbeitete Auflage. Konstanz [UVK Verlagsgesellschaft mbH] 2010.

Weichler, Kurt: Corporate Publishing. Publikationen für Kunden und Multiplikatoren. In: Zerfaß, Ansgar; Manfred Piwinger: Handbuch Unternehmenskommunikation. Strategie – Management – Wertschöpfung. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden [Springer Gabler] 2014, S. 767-785.

Wolf, Cornelia: Mobiler Journalismus: Angebote, Produktionsroutinen und redaktionelle Strategien deutscher Print- und Rundfunkredaktionen. Baden-Baden [Nomos] 2014.

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Alexander Godulla
*1979, Prof. Dr., ist seit 2018 Professor für Empirische Kommunikations- und Medienforschung am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im cross- und transmedialen Storytelling, der Innovationskommunikation, der Modellbildung Öffentlicher Kommunikation sowie der Visuellen Kommunikation. Er hat Diplom-Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Universität Wien studiert. Kontakt: alexander.godulla (at) uni-leipzig.de