Journalistenschulen

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Wortherkunft: ‚Journalisten‘, von frz. ‚journal‘, Tagebuch, Zeitung, und ‚Schule‘ von lat. ‚schola‘, Ausbildungseinrichtung

Definition:
Der Begriff ‚Journalistenschule‘ lässt sich nicht trennscharf definieren. Im deutschsprachigen Raum bezeichnet ‚Journalistenschule‘ eine private Ausbildungseinrichtung für Journalistinnen und Journalisten mit Schwerpunkt auf der handwerklichen Ausbildung. Der Zugang erfolgt in der Regel über einen Eignungstest mit Arbeitsproben, Wissenstest und Gespräch. Journalistenschulen vergeben meist keine staatlich anerkannten Ausbildungsabschlüsse, sondern Zertifikate oder Teilnahmebestätigungen. Sie finanzieren sich in der Regel über Kursgebühren, Projektmittel, Spenden und/oder ihre Trägerorganisationen.

Nicht unter den Begriff ‚Journalistenschule‘ fallen Einrichtungen, deren Schwerpunkt außerhalb des Journalismus oder lediglich allgemein im Medienbereich liegt, oder die vor allem Weiterbildung anbieten.

International wird mit ‚Journalism School‘ oder ‚-School‘ eine Ausbildungseinrichtung für den Journalismus unabhängig von der institutionellen Anbindung bezeichnet. ‚School‘ wird insbesondere in den USA auch im Sinne des fachlichen Bereichs eines Colleges oder einer Universität genutzt.

Geschichte:
1949 wurde die heute älteste Journalistenschule in München gegründet, das Werner-Friedmann-Institut zur Ausbildung und Förderung des journalistischen Nachwuchses in Deutschland (DJS 2020). Wesentlicher Bestandteil der Ausbildung war das neue Konzept einer Lehrredaktion, das der Schulgründer aus den USA mitgebracht hatte. 1957 wurde das Institut in Deutsche Journalistenschule umbenannt (ebd.). 1950 folgte die Christliche Presseakademie der Evangelischen Kirche Deutschlands, aus deren Umfeld nach einigen Umstrukturierungen 1995 die Evangelische Journalistenschule, EJS, in Berlin hervorging (EJS 2020). In der DDR war die Journalistenausbildung seit 1954 universitär und zentral gesteuert. Journalistenschulen gab es nicht (Nowak 2007: 102f.).

In Westdeutschland gab es Ende der 1960er Jahre im Zuge der Bildungsdiskussion weitere Neugründungen. 1968 wurde die Kölner Schule/Institut für Publizistik e.V., heute Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. eröffnet (KJS 2020). Sie verbindet die handwerkliche Ausbildung mit einem Wirtschaftsstudium an der Universität Köln. Wie die Deutsche Journalistenschule wird auch die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft von einem unabhängigen gemeinnützigen Verein getragen. Auch das 1969 in München gegründete Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses e.V., ifp, ist ein Verein, der aber eng an die Katholische Kirche gebunden ist (ifp 2020). Die Journalistengewerkschaften DJV und dju gründeten 1986 die Berliner Journalistenschule, die 1989 ihren Betrieb aufnahm (BJS 2020).

Ab Ende der 1970er Jahre gründeten große Medienunternehmen eigene Journalistenschulen, in denen vor allem die eigenen Volontariate gebündelt wurden: 1978 in Hamburg die Henri-Nannen-Schule, auch Hamburger Journalistenschule genannt, des Verlags Gruner+Jahr und der Wochenzeitung Die Zeit (Henri-Nannen-Schule 2020), 1986 die Journalistenschule Axel-Springer in Berlin, heute Axel-Springer-Akademie, 1988 die Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten des Holtzbrinck-Verlags in Düsseldorf, ebenfalls 1988 die Burda Journalistenschule in München und Offenburg, 1993 die Journalistenschule Ruhr der WAZ-Gruppe in Essen (Nowak 2007: 108). 2001 gründete der Fernsehsender RTL in Köln seine RTL Journalistenschule. Die Bauer Media Group betreibt seit 2011 unter dem Dach der Bauer Media Academy in Hamburg eine Journalistenschule (Bauer 2020). Auch eine Reihe von Regionalzeitungsverlagen gründeten in den ersten zwei Jahrzenten der 2000er Jahre Journalistenschulen, in denen sie ihre Volontariatsausbildung bündelten (Nowak 2007: 117ff.).

Mit dem Medienboom Ende der 1990er Jahre kamen auch außerhalb der Medienunternehmen neue Journalistenschulen dazu: 1999 gründeten zwei Privatleute in München die Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker, heute eine GmbH & Co. KG (Journalistenakademie 2020). Im Jahr 2001 nahm die electronic media school, ems, in Babelsberg ihre Arbeit auf, getragen von der Medienanstalt Berlin Brandenburg, mabb, und dem Rundfunk Berlin Brandenburg, rbb (ems 2020).

Unklar ist die Faktenlage bei der DFJV Deutsche Fachjournalisten-Verband AG. Sie betreibt laut eigener Aussage durch die Tochtergesellschaft DFJV Bildungsgesellschaft mbH zwei Journalistenschulen, die Deutsche Journalisten-Akademie und das Deutsche Journalistenkolleg. (DFJV 2020) Auch die Freie Journalistenschule GmbH (FJS) ging aus dem DFJV hervor. Hier ist Journalismus allerdings nur eines von vier Ausbildungsangeboten (FJS 2020). Alle drei Einrichtungen arbeiten nach eigenen Angaben ausschließlich im Fernunterricht.

Eine Sonderstellung nimmt die 2004 von der AMAK AG gegründete Mitteldeutsche Journalistenschule in Mittweida ein. Sie ist eng angebunden an die private Fachhochschule Mittweida und bietet ein studienbegleitendes Volontariat an (MJS 2020). Kooperationen von Journalistenschulen mit Fachhochschulen und Universitäten gibt es seit 1974 auch bei der Deutschen Journalistenschule mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (DJS 2020). Die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. bindet seit Gründung ihre Ausbildung zwar an ein Wirtschaftsstudium an der Universität Köln, allerdings ohne formelle Kooperation (KJS 2020).

2016 unterzeichneten elf Journalistenschulen die ‚Charta Journalistenschulen für Qualitätsjournalismus‘. In dieser freiwilligen Selbstverpflichtung sichern die Journalistenschulen zu, bestimmte Kriterien für eine qualitativ hochwertige Ausbildung einzuhalten. (KJS Charta 2020)

Gegenwärtiger Zustand:
Journalistenschulen lassen sich vier Kategorien zuordnen:

  • Unabhängige Journalistenschulen in Trägerschaft gemeinnütziger Vereine
  • Unabhängige Journalistenschulen in Trägerschaft eines Unternehmens
  • Journalistenschulen in Trägerschaft nicht-kommerzieller Organisationen
  • Journalistenschulen von Medienunternehmen

Zu den unabhängigen Journalistenschulen in Trägerschaft gemeinnütziger Vereine gehören die Deutsche Journalistenschule in München und die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V.

Die Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker GmbH & Co. KG zählt zu den unabhängigen Journalistenschulen in Trägerschaft eines Unternehmens, ebenso wie die Mitteldeutsche Journalistenschule der Akademie für multimediale Ausbildung und Kommunikation AG, AMAK AG. Trotz aller Unterschiede gehören auch die Ausbildungseinrichtungen rund um die DFJV Deutsche Fachjournalisten-Verband AG in diese Kategorie.

Zu den Journalistenschulen in Trägerschaft nicht-kommerzieller Organisationen zählen die ifp Katholische Journalistenschule und die Evangelische Journalistenschule der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD. Die electronic media school, ems, wird getragen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunksender RBB und der Landesmedienanstalt Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

Die vierte Kategorie bilden die Journalistenschulen von Medienunternehmen wie die Henri-Nannen-Schule des Verlags Gruner+Jahr und der Wochenzeitung Die Zeit, die Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten der Handelsblatt Media Group GmbH, die Journalistenschule der Axel-Springer-Akademie, die Burda-Journalistenschule, die Journalistenschule der Bauer Media Group und die Journalistenschulen verschiedener regionaler Medienunternehmen.

Mitunter wird inzwischen die gesamte Aus- und Weiterbildung eines Medienunternehmens in einer eigenen Abteilung zusammengefasst ohne eine so benannte Journalistenschule, wie z. B. beim Madsack Medien Campus. Diese Konstruktionen entsprechen nicht mehr der Definition einer Journalistenschule“. Das gilt auch für die Nachfolgerin der „Journalistenschule Ruhr“, die „ProContent gAG“, deren Schwerpunkt nicht mehr auf Journalistenausbildung liegt. Die „Berliner Journalistenschule gUG“, BJS, bietet keine Vollausbildung und gehört deshalb in den Weiterbildungsbereich.

Obwohl die Zahl der Bewerbungen für journalistische Ausbildungen in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, können die bekannteren Journalistenschulen aus einer Vielzahl an Bewerbungen auswählen, in der Regel mit einem Eignungstest. Das durch die Ausbildung entstehende berufliche Netzwerk der Absolventinnen und Absolventen festigt den guten Ruf besonders der älteren Journalistenschulen.

Die Schulen finanzieren sich in der Regel über Kursgebühren, Projektmittel, Spenden und/oder ihre Trägerorganisationen. Die Entwicklung des journalistischen Arbeitsmarkts wirkt sich auch auf viele Journalistenschulen aus. Weniger Einnahmen bei journalistischen Medien bedeuten eine geringere Nachfrage nach ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten sowie umgekehrt nach Weiterbildungsangeboten.

Forschungsstand:
Es gibt kaum wissenschaftliche Studien, die sich mit Journalistenschulen beschäftigen. Zu nennen wäre hier der Abschnitt zu Journalistenschulen und zur geschichtlichen Entwicklung der Journalistenausbildung in Deutschland in Nowak (2007) sowie konkrete Beispiele in „Quo vadis Journalistenausbildung“ von Britta M. Gossel und Kathrin Konyen (2019) und Papendick (2017).

Nach dem Kompetenzmodell für Journalistenausbildung von Nowak (2007: 221ff.) bedienen Journalistenschulen mit der handwerklichen Ausbildung vor allem Handlungskompetenz. Basiskompetenzen sowie Orientierungswissen setzen sie voraus, indem sie diese in Eignungstests überprüfen. Medienspezifisches Fachwissen sowie Sach-/Ressortwissen spielen in der Regel eine untergeordnete Rolle im Ausbildungsangebot.

Literatur:

Bauer: Bauer Media Group. Job und Karriere. Bauer Media Academy. Journalistenschule. https://job-karriere.bauermedia.com/journalistenschule.html [11.01.21]

BJS: Berliner Journalistenschule. Die Schule. Geschichte. https://www.berliner-journalisten-schule.de/die-schule/geschichte/ [11.01.21]

DFJV: DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG. Ausbildung. https://www.dfjv.de/leistungen/ausbildung [11.01.21]

DJS: Deutsche Journalistenschule. Über uns. Geschichte der Schule. https://djs-online.de/ueber-uns/geschichte-der-schule/ [11.01.21]

DWDS: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. https://www.dwds.de [11.01.21]

EJS: Evangelische Journalistenschule. Schule. Profil. https://www.evangelische-journalistenschule.de/schule/profil [11.01.21]

Ems: Electronic Media School. Die EMS. https://www.ems-babelsberg.de/die-ems [11.01.21]

FJS: FJS Freie Journalistenschule GmbH. https://www.freie-journalistenschule.de/ [11.01.21]

Gossel, Britta M.; Kathrin Konyen (Hrsg.): Quo vadis Journalistenausbildung? Befunde und Konzepte für eine zeitgemäße Ausbildung. Wiesbaden [Springer VS] 2019.

Henri-Nannen-Schule: Henri-Nannen-Schule. Schule. Geschichte. https://henri-nannen-schule.de/schule/geschichte/ [11.01.21]

Ifp: Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses. Katholische Journalistenschule. Über uns. https://journalistenschule-ifp.de/wer-wir-sind [11.01.21]

Journalistenakademie: Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker GmbH & Co. KG. Die Akademie. Geschichten der Journalistenakademie. https://www.journalistenakademie.de/die-akademie/geschichte/ [11.01.21]

KJS: Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. Über uns. Geschichte. https://koelnerjournalistenschule.de/ueber-uns/#geschichte [11.01.21]

KJS Charta: Charta Journalistenschulen für Qualitätsjournalismus. https://koelnerjournalistenschule.de/wp-content/uploads/2020/06/Charta-KJS-Version-03-04-2020.pdf [11.01.21]

MJS: Mitteldeutsche Journalistenschule. Die Schule. https://mjs-mw.de/die-schule/ [11.01.21]

Nowak, Eva: Qualitätsmodell für die Journalistenausbildung. Kompetenzen, Ausbildungswege, Fachdidaktik. Dissertation. In: Eldorado, 2007. https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/24721/2/Dissertation.pdf

Papendick, Ulric: Ansatz aus der Praxis: Ausbildung von Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten an der Kölner Journalistenschule. In: Otto, Kim; Andreas Köhler (Hrsg.): Qualität im wirtschaftspolitischen Journalismus. Wiesbaden [Springer VS] 2017, S. 263-268.

 

 

 

 

 

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Eva Nowak
*1965, Prof. Dr., ist seit 2006 Professorin für Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. Sie studierte Journalistik an der Universität Dortmund, wo sie später die Hörfunk- und Fernsehausbildung mit aufbaute, arbeitete als freiberufliche Journalistin und war Ausbildungsleiterin an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. 2013 war Eva Nowak Visiting Academic Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Journalistenausbildung, Medienregulierung und die Zukunft des Journalismus. Kontakt: wak@jade-hs.de