Medienlogik

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Wortherkunft und Definition:
Der Begriff Medienlogik wurde 1979 von David L. Altheide und Robert P. Snow in ihrem Buch Media Logic eingeführt und bezeichnet grundsätzlich die Prinzipien (‚Logik‘), nach denen ‚Medien‘ funktionieren – den Modus Operandi der → Massenmedien (Hjarvard 2008). In ihrer Pionierarbeit definieren Altheide und Snow (1979) Medienlogik als eine spezifische Art, gesellschaftliche Themen zu sehen und zu interpretieren. Im Konkreten zeichnet sich diese Art dadurch aus, dass alle Medien bestimmte gemeinsame Formate (‚formats‘) verwenden – etwa hinsichtlich der Organisation des Materials, des Präsentationsstils, der Betonung ausgewählter Aspekte oder auch der verwendeten Sprache (‚grammar of media communication‘). Der Begriff ‚Formate‘ bezieht sich ursprünglich also vor allem auf die Art und Weise, auf die alle Medien Inhalte ähnlich darstellen.

Geschichte und gegenwärtiger Zustand:
Der Begriff Medienlogik spielt insbesondere in der Forschung zur → Medialisierung eine bedeutende Rolle. Medialisierung bezeichnet das Bestreben gesellschaftlicher Akteure wie Politiker*innen oder Sportler*innen, öffentliche Aufmerksamkeit zu managen. Dazu machen sie sich zunächst ein Bild davon, wie Medien funktionieren, und ergreifen auf dieser Basis Maßnahmen, die sie für die Berichterstattung attraktiver (wenn sie nach mehr Aufmerksamkeit streben) oder weniger attraktiv (wenn sie Aufmerksamkeit vermeiden wollen) machen sollen. Dies versteht man als Anpassung an die Medienlogik. Medienlogik stellt in der Medialisierungsforschung folglich den Orientierungspunkt für solche Anpassungsmaßnahmen dar und beeinflusst damit maßgeblich gesellschaftlichen Wandel. Der Begriff ist jedoch nicht für diese Forschungsperspektive reserviert: Er wird auch dann bemüht, wenn es generell darum geht, das Zustandekommen und die Spezifik von Medieninhalten zu erklären. Mitunter wird der Begriff als Buzzword genutzt, wenn nämlich reflexhaft Besonderheiten journalistischer Berichterstattung (wie Überspitzungen oder Vereinfachungen) schlicht mit dem Hinweis auf ‚Medienlogik‘ begründet werden. Dies wird dem Facettenreichtum des Konzepts jedoch kaum gerecht.

Konzepte von Medienlogik unterscheiden sich einerseits darin, was sie als (1) Medien begreifen (also in ihrem Medienbegriff) und andererseits darin, was sie als deren (2) konstituierende Prinzipien verstehen (also in ihrem Verständnis der Logik):

(1) In ihrer ursprünglichen Konzeption von Medienlogik beziehen sich Altheide und Snow deutlich auf die Prinzipien öffentlicher Massenmedien, konkreter auf die Funktionsweise journalistischer Berichterstattung. Im Zuge der Forschung zur Medialisierung hat sich dieses Verständnis jedoch ausdifferenziert. So greift für einige Autor*innen der Blick auf (journalistische) Institutionen zu kurz – sie nehmen stattdessen unterschiedliche Medientechnologien (wie das Mobiltelefon oder das Internet) in den Blick und argumentieren, dass es der Verschiedenheit der Medien nicht angemessen wäre, sie unter dem Dach einer gemeinsamen Logik zu versammeln (Hepp 2012). Aus dieser Perspektive wird der Begriff Medienlogik generell mit Skepsis betrachtet oder gänzlich abgelehnt.

Große Prominenz erfährt der Begriff dagegen in jenen Konzepten, die Medialisierung als Prozess verstehen, in dessen Zuge gesellschaftliche Akteure wie Politiker*innen, Wissenschaftler*innen oder Sportler*innen öffentliche Aufmerksamkeit anstreben bzw. vermeiden wollen. Entsprechende Autor*innen fokussieren ihr Verständnis von Medienlogik auf Medien, die in der Lage sind, solch öffentliche Aufmerksamkeit herzustellen, in der Regel journalistische Medienangebote. Da Journalismus in digitalen Medienlandschaften sein Monopol auf öffentliche Informationsverbreitung verloren hat, wird zunehmend auch versucht, digitale Angebote abseits des Journalismus (wie etwa → Social-Media-Kommunikation) in dieses Konzept von Medienlogik zu integrieren (Klinger/Svensson 2014; van Dijck/Poell 2013).

(2) Doch selbst wenn man sich darauf verständigt, den Medienbegriff auf journalistische Medienangebote zu beschränken, bleibt in der Forschung umstritten, inwiefern diese tatsächlich einer gemeinsamen Logik, also denselben Prinzipien und der gleichen Funktionsweise, folgen. Beispielsweise unterscheidet sich die tägliche Pandemie-Berichterstattung einer Boulevardzeitung von der monatlichen Kunstmarktbesprechung eines Kulturmagazins im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die Boulevardzeitung unterliegt größerem wirtschaftlichen Druck als der öffentlich-rechtliche Sender; die Zeit zum Erstellen der Beiträge unterscheidet sich; auch die soziale Relevanz der beiden Themen ist verschieden. Diese Verschiedenheit erkennen auch diejenigen an, die von einer gemeinsamen Medienlogik sprechen; sie argumentieren aber, dass die Gemeinsamkeiten von journalistischen Medien größer sind als die Unterschiede zwischen ihnen (Strömbäck/Esser 2014). Trotz der Verschiedenheit von Medienangeboten gibt es demnach einen kleinsten gemeinsamen Nenner (Scheu et al. 2015) von Medienlogik, der alle (journalistischen) Angebot eint. Häufig unter Bezugnahme auf systemtheoretische Prämissen wird daher argumentiert, dass journalistische Angebote einander stets ähnlicher sind als Kommunikationsangeboten außerhalb des Journalismus (Nölleke 2013): Populär ist in der Medialisierungsforschung etwa die Unterscheidung von Medienlogik und politischer Logik (Strömbäck 2008).

Auch eine Fokussierung auf journalistische Medien und die Einsicht, dass Gemeinsamkeiten die Unterschiede überwiegen, führen noch zu keiner Übereinkunft, welche Dimensionen Medienlogik ausmachen und wie Medienlogik damit (empirisch) beschaffen ist. In Anlehnung an das ursprüngliche Konzept von Altheide und Snow (1979) ist zu konstatieren, dass Medienlogik den gesamten Prozess umfasst, der die Beschaffenheit von Medieninhalten prägt (Mazzoleni 2008). In ihrer Beschäftigung mit Medienlogik heben Autor*innen jedoch unterschiedliche Aspekte dieses Prozesses hervor und fokussieren mitunter ausschließlich auf die Prinzipien der Themenauswahl (z. B. → Nachrichtenfaktoren) oder der Nachrichtenpräsentation (z. B. Boulevardisierung). In breit angelegten Konzepten von Medienlogik wird versucht, alle Einflussfaktoren auf den gesamten Prozess journalistischen Arbeitens zu integrieren (Meyen/Thieroff/Strenger 2014; Birkner/Nölleke 2015). So kommen auf Prozessebene Routinen der → Recherche, der Themenauswahl sowie der Präsentation und Interpretation ins Blickfeld. Berücksichtigt werden zudem Einflüsse auf diese Routinen wie das journalistische Rollenselbstverständnis, technologische Veränderungen und wirtschaftliche Imperative.

Forschungsstand:
Zusammengefasst handelt es sich bei dem Begriff Medienlogik also um ein breites Konzept, das dem Facettenreichtum unterschiedlicher journalistischer Medien Rechnung trägt, aber gleichzeitig davon ausgeht, dass journalistische Medien mehr eint als trennt. Die dahinter liegenden Mechanismen werden als Medienlogik beschrieben. Da diese Medienlogik jedoch von derartig vielen Einzelaspekten konstituiert wird, ist es kaum möglich, sie umfassend zu erheben. Daher muss an dieser Stelle auf die spezifischeren Einträge im Journalistikon verwiesen werden, die sich ja allesamt mit Prinzipien von Journalismus beschäftigen. In einem der seltenen Versuche, verschiedene Facetten von Medienlogik in nur einer Studie zu betrachten, zeigt Karidi, dass Medienlogik aktuell stark von kommerziellen Aspekten geprägt ist und Selektion, Präsentation und Interpretation von Medieninhalten darauf ausgerichtet sind, Aufmerksamkeit zu generieren und ein möglichst großes Publikum anzusprechen (Karidi 2017: 206).

Beschäftigt man sich mit dem Begriff Medienlogik aus Medialisierungsperspektive, werden aktuell zwei Aspekte in den Vordergrund gerückt, die über eine Analyse der journalistischen Funktionsweise hinausgehen.

  • Einerseits steht zur Debatte, inwiefern die Prämisse einer gemeinsamen Medienlogik noch gerechtfertigt ist, wenn öffentliche Aufmerksamkeit (etwa in Social Media) auch ohne Beitrag des Journalismus entsteht. Die Frage, der sich die Forschung verstärkt widmet, lautet also, ob Social-Media-Kommunikation ähnlichen Prinzipien folgt wie Journalismus. Während bislang festgestellt wurde, dass Aufmerksamkeit anhand ähnlicher Kriterien erzeugt wird, identifizieren Forscher*innen das enorme Mobilisierungspotenzial durch den Netzwerkcharakter von Social-Media-Kommunikation (van Dijck/Poell 2013) als wichtigen Unterschied zur Logik traditioneller Medien.
  • Andererseits wird in der Medialisierungsforschung debattiert, inwiefern eine tatsächliche Medienlogik der maßgebliche Orientierungspunkt für das medienbezogene Handeln von individuellen Akteuren wie Politiker*innen oder Sportler*innen und von Organisationen wie Parteien oder Sportvereinen ist. Demnach ist für Anpassungsmaßnahmen nicht die Beschaffenheit eines Gegenstands, sondern das Verständnis von dessen Beschaffenheit entscheidend. Aus dieser Perspektive wird argumentiert, dass es für medienbezogenes Handeln weniger relevant ist, ob es eine übergeordnete Medienlogik gibt, sondern ob Menschen eine solche übergeordnete Medienlogik wahrnehmen. Entsprechende Forschung belegt, dass tatsächlich nur in geringem Maße zwischen Medien unterschieden wird und ihnen allgemein ein Hang zur Negativität, → Personalisierung und zum Sensationalismus bescheinigt wird (Nölleke/Scheu 2018).

Literatur:

Altheide, David L.; Robert P. Snow: Media logic. Beverly Hills [Sage] 1979.

Birkner, Thomas; Daniel Nölleke: Soccer players and their media-related behavior: A contribution on the mediatization of sports. In: Communication & Sport, 4(4), 2015, S. 367-384.

Hepp, Andreas: Mediatization and the ‚molding force‘ of the media. In: Communications 37(1), 2012, S. 1-28.

Hjarvard, Stig: The mediatization of society: A theory of the media as agents of social and cultural change. In: Nordicom Review, 29(2), 2008, S. 105-134.

Karidi, Maria: Medienlogik im Wandel: Die deutsche Berichterstattung 1984 und 2014 im Vergleich. Wiesbaden [VS Springer] 2016.

Klinger, Ulrike; Jakob Svensson: The emergence of network media logic in political communication: A Theoretical Approach. In: New Media & Society, 17(8), 2015, S. 1241-1257.

Mazzoleni, Gianpietro: Media logic. In: Donsbach, Wolfgang (Hrsg.): The International Encyclopedia of Communication. Malden, MA [Blackwell] 2008, S. 2930-2932.

Meyen, Michael; Markus Thieroff; Steffi Strenger: Media logic and the mediatization of politics. In: Journalism Studies, 15(3), 2014, S. 271-288.

Nölleke, Daniel: Experten im Journalismus: Systemtheoretischer Entwurf und empirische Bestandsaufnahme. Baden-Baden [Nomos] 2013.

Nölleke, Daniel; Andreas M. Scheu: Perceived Media Logic. A Point of Reference for Mediatization. In: Thimm, Caja; Mario Anastasiadis; Jessica Einspänner-Pflock (Hrsg.): Media Logic(s) Revisited. Modelling the Interplay between Media Institutions, Media Technology and Societal Change. Basingstoke [Palgrave Macmillan] 2018, S. 195-216.

Scheu, Andreas M.; Anna-Maria Volpers; Annika Summ; Bernd Blöbaum: Medialization of research policy: Anticipation of and adaptation to journalistic logic. In: Science Communication, 36(6), 2015, S. 707-734.

Strömbäck, Jesper:  Four phases of mediatization: An analysis of the mediatization of politics. In: The international journal of press/politics, 13(3), 2008, S. 228-246.

Strömbäck, Jesper; Frank Esser: Introduction. Making sense of the mediatization of politics. In: Journalism Studies, 15(3), 2014, S. 243-255.

Van Dijck, José; Thomas Poell: Understanding social media logic. In: Media and communication, 1(1), 2013, S. 2-14.

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Daniel Nölleke
*1978, Dr., ist seit 2017 Universitätsassistent (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Er hat 2012 an der Universität Münster zum Thema „Experten im Journalismus“ promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medialisierung, Sportkommunikation und Wissenschaftskommunikation. Kontakt: daniel.noelleke (at) univie.ac.at