Brotschrift

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Ein Brot mit einer Zeitungsseite symbolisiert die Brotschrift
Bild: DALL-E

Wortherkunft: Brotschrift ist ein typografischer Fachbegriff aus der Sprache der deutschen Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker sowie aus dem Tätigkeitsfeld des gewerblichen Schriftsatzes. Der Begriff wird für die Schrift im Werk- bzw. Mengensatz verwendet, da der Schriftsetzer hiermit sein Geld und somit sein ‚tägliches Brot‘ verdiente. 

Definition

Unter Brotschrift versteht man die Schriftart (engl. Typeface), die für das Setzen des Fließtextes verwendet wird, also für ein umfangreiches Satzgefüge aus vielen Zeilen, Spalten und Seiten. Die Copy bzw. der Copy-Text, wie → Journalisten, Texter und Agenturen den werblichen Schriftsatz bezeichnen, wird ebenfalls mit dieser Schrift gesetzt. Einmal festgelegt, handelt es sich um die immer gleiche Schrift, die in kleinen Schriftgraden (Lesegrößen) zwischen 8 und 12 Punkt gesetzt wird. Es werden normalbreite Schriften in den Stärken ‚regular‘ oder ‚book‘, mitunter auch ‚light‘ genutzt. Man verwendet hier gut lesbare Gebrauchsschriften mit Serifen (sog. Antiqua), wie bspw. die Baskerville, Bembo, Bodoni, Garamond, Minion, Palatino, Sabon, Times, manchmal auch serifenlose Schriften, wie Helvetica. Wobei die Garamond, eine im 16. Jahrhundert von Claude Garamond entwickelte französische Renaissance-Antiqua (gem. Klasse II der Schriftklassifikation nach DIN 16518) bis heute die weltweit meistgenutzte Brotschrift im Verlagswesen ist.

In Abgrenzung bzw. als Antonym zur Brotschrift ist die Akzidenzschrift und ebenso die Auszeichnungsschrift zu sehen. Die Akzidenzschrift wird für Zeitungsköpfe, Anzeigen, Plakate, Buchtitel, Geschäfts- oder Privatdrucksachen verwendet. Hierbei handelt es sich um geringe Textmengen, die teilweise aufwändig und in deutlich größeren Schriftgeraden gesetzt bzw. typografisch ausgestaltet werden und mit denen der gemeine Setzer nicht sein ‚tägliches Brot‘ verdienen konnte. Hier wurde der, oft besser entlohnte, Akzidenzsetzer beauftragt.

Geschichte

Der Begriff Brotschrift stammt ursprünglich aus der Zeit des manuellen Handsatzes mit Einzellettern aus gegossenem Metall (meist einer Bleilegierung, vgl. Bleisatz). Der Schriftsetzer entnahm die einzelnen Buchstaben aus dem Setzkasten und reihte sie im sog. Winkelhaken zu einer Zeile nebeneinander. Die Buchstaben sind spiegelverkehrt und mehrfach, zur wiederholten Verwendung, im Setzkasten vorhanden. Der Setzer musste daher spiegelverkehrt lesen können. Da die Setzer mit Beginn der Industrialisierung im Akkord bezahlt wurden, brachte ihnen das manuelle Setzen mit dieser Schrift, dem geleisteten Umfang entsprechend, ihr ‚tägliches Brot‘ ein.

Die manuelle Satztechnik geht auf die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert zurück und hatte sich bis in die 1970er Jahre, abgesehen vom Maschinensatz durch automatisierte Typen- oder Zeilensetzmaschinen, wenig verändert. Sämtliche Texte in Büchern, Zeitungen und Akzidenzien wurden auf diese Art hergestellt. Durch die Entwicklung des Fotosatzes ab den 1960er und des Computersatzes mittels Programmen für Textverarbeitung und DTP (Desktop Publishing) Ende der 1980er Jahre, hat diese Tätigkeit weitestgehend an Bedeutung verloren.

Gegenwärtiger Zustand

Für den Schriftsatz werden heutzutage nahezu ausschließlich DTP- bzw. Layout-Programme, wie z. B. Adobe InDesign, verwendet, bei denen die Schriftart mit einem Mausklick jederzeit in eine beliebig andere (so diese im System vorinstalliert ist) geändert werden kann. Das gleiche gilt für sämtliche Textverarbeitungsprogramme. Zudem muss der Setzer den Text nicht mehr selbst erfassen (abschreiben), sondern er wird meist vom Autor geliefert und lediglich in den Textrahmen des Seiten-Layouts einkopiert. Zum Tätigkeitsfeld gehört heute eher das Formatieren und Gestalten des vorhandenen Textes. Insbesondere der Blocksatz basiert auf einem komplexen Zusammenwirken von Wort- und Zeichenabständen, Glyphenskalierung und Silbentrennung, um ein ästhetisch ansprechendes Erscheinungsbild des Textgefüges zu erzielen. Zu dem erweiterten Aufgabenbereich kann ebenfalls das Erstellen des Layouts, der Musterseiten und Stilvorlagen zum Automatisieren der Text- und Absatzformatierungen gehören. Diese Tätigkeiten werden ebenfalls von Typografen, Grafik- und Mediendesignern ausgeführt und sind Bestandteil der Ausbildung zum Mediengestalter.

Der Begriff Brotschrift wird weiterhin in Agenturen, Verlagen und Druckereien verwendet und steht synonym für die Grundschrift. Brotschrift ist zwar ein gängiger Begriff der Werbesprache und des typografischen Sprachgebrauchs, jedoch ist er bei jüngeren Medienschaffenden zunehmend unbekannt und wird in Digital-Agenturen eher nicht gebraucht.

Literatur

Forssman, Friedrich; Ralf de Jong: Detailtypografie. 8. Auflage. Mainz [Verlag Hermann Schmidt] 2021.

Genzmer, Fritz: Das Buch des Setzers. Berlin [Verlag des Druckhauses Tempelhof] 1948.

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Frank Reichow
*1968, Prof., ist seit 2014 Professor für Medien- und Kommunikationsdesign sowie Medientechnik und -produktion an der Rheinischen Hochschule in Köln. Kontakt: web (at) frankreichow.de