Newsroom

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Wortherkunft: engl. news = Neuigkeiten, Nachrichten; engl. room = Raum, Büro

Der Begriff Newsroom bezeichnet ein Großraumbüro, in dem eine Redaktion aktuelle → Nachrichten produziert. Ursprünglich wurde der Ausdruck im anglo-amerikanischen Sprachraum verwendet. Er ist eng mit der dort verbreiteten Arbeitsteilung zwischen reporter und editor verbunden, in dem reporter aktuelle journalistische Stücke zuliefern und editors diese Stücke redigieren und zu einem Gesamtprodukt bündeln. In seiner gegenwärtigen Bedeutung ist er allerdings verknüpft mit redaktionellen Prozessen einer Nachrichtenredaktion, die mehrere Ausspielkanäle (z. B. Print, Website, App und Social Media) parallel mit Nachrichtenbeiträgen bestückt.

Hintergrund dieser Bedeutungsverschiebung ist der Trend der Digitalisierung, der → Arbeitsweisen im Journalismus grundlegend verändert hat. Wurden zu Zeiten analoger Medien Inhalte für die klassischen Ausspielkanäle Zeitung, Radio und Fernsehen in eigenen Redaktionen autonom nach spezifischen journalistischen Regeln und Programmen produziert, rückt in einer digitalisierten Medienwelt das Thema der Berichterstattung in den Vordergrund. Dieses kann – bezogen auf Zielgruppen, Nutzungssituationen und verfügbare Endgeräte – parallel für verschiedene Ausspielkanäle in unterschiedlichen Modi (etwa Text, Video, Audio, Infografik) aufbereitet werden. Die Möglichkeit besteht, da digitalisierte Inhalte grundsätzlich nicht mehr an einen Ausspielkanal gebunden sind.

Die neue Form der Aufbereitung von Inhalten erfordert modifizierte journalistische Prozesse, neue Strukturen der Aufbau- und Ablauforganisation sowie angepasste Führungskonzepte und Verwaltungsansätze. Damit zieht sie auch veränderte redaktionelle Alltagspraktiken nach sich. Ein derartig vielschichtiger Veränderungsprozess schlägt sich physisch in der Einrichtung eines Newsrooms nieder.

Entscheidender sind allerdings die organisatorischen Veränderungen: Auf der Prozessebene existiert der wichtigste Unterschied zu einer analogen Redaktion darin, dass Inhalte von vornherein und integriert für mehrere Kanäle geplant und – oft in Teams aus Spezialisten mit unterschiedlichen Kompetenzen – realisiert werden. Hinsichtlich der Aufbauorganisation wird vor allem die hierarchische Gliederung in Ressorts aufgelöst oder abgeschwächt sowie ggf. die hausinterne Trennung von Sparten wie der Online-, TV- und Radio-Redaktion zugunsten kanalübergreifender Planer und Entscheider aufgehoben. Dies führt in der Regel dazu, dass die Position der Ressortchefs geschwächt wird. Adäquate Führungsmodelle setzen auf mehr Selbstverantwortung der zuständigen Journalisten am Desk. Die intensive Zusammenarbeit in einem Raum führt idealerweise auch zu neuen informellen Praktiken des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Kanal- und Fachspezialisten.

Die Einrichtung eines Newsrooms folgt dabei einerseits den Arbeitsprozessen – insbesondere hinsichtlich schneller Kommunikationswege, Ad-hoc-Entscheidungen statt fester Konferenzen und der Verfügbarkeit aktueller Nutzungsdaten und Produktionskennzahlen auf den Bildschirmen der redaktionellen Entscheider (dem so genannten Management-Dashboard). Idealtypische Konfigurationen lassen sich dabei kaum benennen, da sie sehr vom redaktionellen Konzept abhängig sind. Regelmäßig anzutreffen sind allerdings Lösungen, die sich um den Desk konzentrieren, an denen redaktionelle Führungskräfte Publikationsentscheidungen treffen.

Die physische Einrichtung eines Newsrooms kann aber auch als reflexives Handeln des Managements verstanden werden, das notwendige Prozess- und Produktinnovationen symbolisch unterstreicht. Empirische Ergebnisse deuten darauf hin, dass Redaktionen sich um so stärker gegen Innovationen sperren, je stärker dadurch tradierte professionelle Abläufe tatsächlich verändert und nicht nur ergänzt werden (vgl. Ekdale u.a. 2015). Dies ist bei Ressortzugehörigkeiten sehr häufig der Fall, weswegen Widerstände in Veränderungsprozessen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Newsrooms voraussehbar sind.

Eine Sonderform des Newsrooms stellen titelübergreifende aktuelle Redaktionen dar, die mehrere Medien eines Konzerns mit überregionalen Nachrichten versorgen. Insbesondere in der Landschaft der Regionalzeitungen ist dies zu beobachten, etwa in den Mediengruppen Funke, DuMont Schauberg und Madsack. Hinter diesem Organisationsmodell steht die Idee, Ressourcen zu bündeln und die gleiche → Qualität zu niedrigeren Kosten anzubieten. Empirische Daten weisen darauf hin, dass dies durchaus gelingen kann, jedoch u.U. verbunden mit Abstrichen bei der → journalistischen Vielfalt (vgl. Rinsdorf 2011).

Literatur:

Altmeppen, Klaus-Dieter; Klaus Arnold: Journalistik. Grundlagen eines organisationalen Handlungsfelds. München [Oldenbourg] 2015

Blöbaum, Bernd; Annika Kutscha; Sophie Bonk; Anne Karthaus: Immer mehr und immer schneller – Journalistische Handlungen in innovativen Redaktionsstrukturen. In: Wolling, Jens; Andreas Will; Christina Schumann (Hrsg.): Medieninnovationen. Wie Medienentwicklungen die Kommunikation in der Gesellschaft verändern. Konstanz [UVK] 2011, S. 43-60

Ekdale, Brian; Jane B. Singer; Melissa Tully; Shawn Harmsen: Making Change. Diffusion of Technological, Relational, and Cultural Innovation in the Newsroom. In: Journalism & Mass Communication Quarterly, 4, 2015, S. 938-958

Meier, Klaus: Ressort, Sparte, Team. Wahrnehmungsstrukturen und Redaktionsorganisation im Zeitungsjournalismus. Konstanz [UVK] 2002

Rinsdorf, Lars: Kooperation: Fluch oder Segen? Auswirkungen eines gemeinsamen Newsdesks auf Qualität und Vielfalt der Berichterstattung. In: Wolling, Jens; Andreas Will; Christina Schumann (Hrsg.): Medieninnovationen. Wie die Medienentwicklungen die Kommunikation in der Gesellschaft verändern. Konstanz [UVK] 2011, S. 25-42

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Lars Rinsdorf
*1971, Prof. Dr., ist Studiendekan des Studiengangs Crossmedia-Redaktion/Public Relations an der Hochschule der Medien Stuttgart. Er hat Journalistik und Raumplanung an der Universität Dortmund studiert und dort 2003 promoviert. Zu seinen Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören Medien- und Verlagsmanagement, Rezeptionsforschung, Forschung und Entwicklung in Medienunternehmen sowie Medienmarken. Kontakt: rinsdorf (at) hdm-stuttgart.de