Volontär*in

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Wortherkunft: Stammt aus der französischen Militärsprache zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Der Volontier/Volonteur (frz. volontaire = freiwillig) ist der freiwillig ohne Sold dienende Soldat; ab Mitte des 19. Jahrhunderts in zivile Bereiche übertragen, v. a. beruflich in den kaufmännischen Bereich oder eine Redaktion (DWDS).

Definition:

Eine Volontärin/ein Volontär ist eine Auszubildende/ein Auszubildender in einer Redaktion, die sowohl in Medien als auch in der Presseabteilung anderer Wirtschaftsbetriebe angesiedelt sein kann. In der Regel dauert die Ausbildung zwei Jahre und wird tariflich vergütet (DJV).

Geschichte:
Der Journalismus galt bis ins 20. Jahrhundert hinein als Begabungsberuf. Mit der Verberuflichung ab Mitte des 19. Jahrhunderts stiegen die Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen der → Journalisten. Schon vor dem Ersten Weltkrieg begann eine Diskussion um die Theorie-Praxis-Ausbildung, die bis heute andauert. Die ersten Verleger- und Journalistenverbände stritten über die Frage, ob Journalisten völlig frei in der Praxis ausgebildet und zusätzlich an einer Hochschule Zeitungskunde studieren sollten (Mohm 1964). In einer Resolution beschlossen die Delegierten bei der Versammlung des Reichsverbandes der deutschen Presse im Mai 1913, dass die „praktische journalistische Berufsbildung […] gemeinsame Sache der Verleger und Journalisten“ und „nur im Zeitungsbetriebe selbst möglich“ sei (Mohm 1964: 44). Die Verbände sollten Ausbildungsmöglichkeiten erörtern und feststellen, „welche Zeitungen gewillt und geeignet sind, Volontäre aufzunehmen und zu schulen“ (ebd.). Gleichzeitig sollten auf die neu einzurichtenden Lehrstühle für Zeitungskunde Persönlichkeiten berufen werden, „denen Erfahrungen aus der Praxis zur Verfügung stehen“ (ebd.).

Die beiden Weltkriege unterbrachen die Debatte, die nach 1945 aber schnell wieder aufgenommen wurde. In deren Zentrum blieb die Uneinigkeit in der Frage der notwendigen Akademisierung in Form von Journalistik-Studiengängen an Universitäten und Hochschulen, deren Zahl ab den 1970er Jahren (Hömberg 2002;  Harnischmacher 2010) stark anstieg. Für das Volontariat wurden Grundsätze formuliert, die der Deutsche Journalistenverband DJV als unverbindliche „minimale Rahmenbedingungen“ betrachtete (DJV 2020). Rechtssicherheit brachte erst der 1990 in Kraft getretene Tarifvertrag, der 2016 überarbeitet wurde und frühestens ab Ende 2020 kündbar ist (BDZV 2016). Das Volontariat muss demnach in mindestens drei Ressorts oder Themenfeldern absolviert werden; ein → Ausbildungsredakteur trifft sich regelmäßig mit den Auszubildenden; außerdem sind im Ausbildungsplan auch außerbetriebliche Maßnahmen festzulegen, wie beispielsweise Seminare an Akademien.

Gegenwärtiger Zustand:
Die Zweigleisigkeit des akademischen und des berufspraktischen Weges in den Journalismus besteht bis heute. In Studiengänge wie die an den Universitäten Dortmund und Leipzig sind Volontariate integriert, in andere wiederum Pflichtpraktika, die allerdings ein Volontariat im Medienunternehmen (auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) nicht ersetzen. Verlage (wie Springer, Burda, Gruner & Jahr) und private Rundfunkanstalten (wie RTL) betreiben Journalistenschulen; andere Träger (wie z. B. Kirchen, Verbände) finanzieren Akademien und Programme zur Aus- und Weiterbildung. Die großen Journalistenorganisationen DJV und dju geben Empfehlungen zu Volontariaten (Überblick in DJV 2020).

Der Abschluss des Ausbildungstarifvertrages war ein wichtiger Schritt zur weiteren Professionalisierung der Journalistenausbildung. Zwischen Verlagen und Volontären werden Verträge abgeschlossen, die Struktur, Ziele, Aufgaben und Inhalte der Ausbildung festschreiben (DJV-AG Bildung 2008, AG Volontariat Bayern 2018). Aber bis heute wird die herrschende Praxis in vielen Häusern kritisiert: Es bleibe häufig beim Learning by Doing, die verlagsinternen Schulungen seien mangelhaft und die Ausbildungsbeauftragten überfordert (Kaiser 1992). Auch Jahre später besteht die Kritik an mangelnder Betreuung, zu starker Praxisfokussierung und am Einsatz der Auszubildenden als volle Arbeitskräfte (Feyder 2000). Aktuell werden die Einstiegsmöglichkeiten in die Branche als „so gut wie seit Jahren nicht mehr“ bewertet (Schröder 2019: 12): Das Angebot hat sich vervielfacht und ausdifferenziert: „Rund 1400 Tageszeitungen (mit ihren Regionalredaktionen) bieten Volontariate an“ (Schröder 2019: 12). Zusätzlich zu Volontärsstellen bei Verlagen, öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunksendern sowie den über 65 Studiengängen konstatieren Experten ein „Überangebot an Ausbildungsmöglichkeiten“ (Schröder 2019: 13). Allerdings interessieren sich immer weniger junge Menschen für ein Volontariat, insbesondere bei Lokalzeitungen (Schneider 2019) – obwohl mittlerweile crossmediale Kompetenzen auf der Ausbildungsagenda stehen.

Forschungsstand:
Das Volontariat war und ist nie eigenständiger Forschungsgegenstand, sondern eingebettet in das Thema → Journalisten-Ausbildung (Altmeppen/Hömberg 2002; Harnischmacher 2010; Gossel/Konyen 2019; Dernbach 2019). Die Akademisierung in der Branche setzt sich fort: In der Mehrheit haben → Redakteure ein sozial-, geistes- oder kulturwissenschaftliches Studium abgeschlossen, seit Jahrzehnten steigt aber auch der Anteil der Absolventen im Studienfeld Journalistik, Medien- und Kommunikationswissenschaft, mit im Lehrplan verankerten praktischen Seminaren; gleichzeitig ist das Volontariat fester Teil der beruflichen  Laufbahn. Im Sammelband von Britta Gossel und Kathrin Konyen sind sowohl die Bilanzen der hochschulgebundenen als auch der Praxis-Ausbildung selbstkritisch positiv. Aber eine empirische Studie (Gossel 2019) zeigt, dass die Digitalisierung einerseits und die seit Jahren fortschreitende Selbstständigkeit neue Kompetenzen erfordern, vor allem technische im Umgang mit den digitalen Verbreitungskanälen und unternehmerische als freie Journalisten. Die Ausbildungseinrichtungen stellen sich darauf offensichtlich nur langsam ein. Angesichts des rasanten Wandels der Medien und des Journalismus wird sich dieses Dilemma so schnell nicht auflösen: Für die Ausbildungseinrichtungen bleibt weiter die Herausforderung bestehen, ob sie Volontäre „fit für den Markt“ machen und/oder sie zeitgemäß auf den Beruf und ihre Tätigkeit in ihrem Unternehmen vorbereiten (Gossel/Konyen 2019b).

Literatur:

Altmeppen, Klaus-Dieter; Walter Hömberg: Traditionelle Prämissen und neue Ausbildungsangebote. Kontinuitäten oder Fortschritte in der Journalistenausbildung? In: dies. (Hrsg.): Journalistenausbildung für eine veränderte Medienwelt. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2002, S. 7-13.

Arbeitskreis Volontariat Bayern:  Muster-Curriculum für die Ausbildung von Volontären und Volontärinnen in Bayern, 2018. https://volontariat-bayern.de/de/infos-rund-ums-volontariat [20.07.2020]

BDZV: Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat, 2016. https://www.bdzv.de/fileadmin/user_upload/Tarifvertrag_Volontariat_Tageszeitungen_2016.pdf [20.07.2020]

Dernbach, Beatrice: Der wissenschaftlich-analytische Blick auf die akademische Journalistenausbildung in Deutschland. In: Gossel, Britta M.; Kathrin Konyen (Hrsg.): Quo Vadis Journalistenausbildung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2019, S. 71-79.

Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju): Volontariat im Journalismus. https://dju.verdi.de/junge-dju/aus-und-weiterbildung/++co++e8d4a1e2-df04-11e2-8244-525400438ccf [20.07.2020]

DJV: Journalist werden: Das Volontariat. 2020. https://www.djv.de/startseite/info/themen-wissen/aus-und-weiterbildung/volontariat.html [20.07.2020]

DJV: Journalistische Ausbildung im Redaktionsvolontariat. https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Der_DJV/DJV_Infobrosch%C3%BCren/DJV_INFO_Redaktionsvolontariat_Torstr..pdf [20.07.2020]

DJV-AG Bildung und Qualität: Musterausbildungsplan für Volontärinnen/Volontäre an Tageszeitungen. 2008. https://www.djv.de/startseite/info/themen-wissen/aus-und-weiterbildung/mustervertraege-ausbildungsplaene-und-vordrucke [04.08.2020]

DWDS: Volontär. https://www.dwds.de/wb/Volont%C3%A4r [20.07.2020]
Feyder, Manuela: Start-up im Team. In: Journalist, 12, 2000, S. 12-17.

Fleischer, Walburga: Schüler statt Volontäre. In: Journalist, 10, 2000, S. 58-59.

Gossel, Britta M.: Eine empirische Studie zur Journalistenausbildung aus Sicht junger Journalistinnen und Journalisten. In: Gossel, Britta M.; Kathrin Konyen (Hrsg.): Quo Vadis Journalistenausbildung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2019, S. 7-68.

Gossel, Britta M.; Kathrin Konyen: Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Quo Vadis Journalistenausbildung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2019a, S. 1-6.

Gossel, Britta M.; Konyen, Kathrin: Und nun? Quo Vadis Journalistenausbildung? In: dies. (Hrsg.): Quo Vadis Journalistenausbildung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2019b, S. 203-207.

Harnischmacher, Michael (2010): Journalistenausbildung im Umbruch. Konstanz [UVK] 2010.

Hömberg, Walter: Expansion und Differenzierung. Journalismus und Journalistenausbildung in den vergangenen drei Jahrzehnten. In: Altmeppen, Klaus-Dieter; Walter Hömberg (Hrsg.): Journalistenausbildung für eine veränderte Medienwelt. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2002, S. 17-30.

Kaiser, Ulrike: Ausbildung nach dem Tarifvertrag: Hürden-Lauf. In: Journalist, 11, 1992, S. 10-17.

Mohm, Siegfried H.: Die Ausbildung des Journalisten-Nachwuchses in Deutschland. Nürnberg [Universität Dissertation] 1964.

Schneider, Annika: Zukunft des Zeitungsvolontariats: Bewerbermangel bei Lokalblättern, 2019. https://www.deutschlandfunk.de/zukunft-des-zeitungsvolontariats-bewerbermangel-bei.2907.de.html?dram:article_id=442307 (20.07.2020)

Schröder, Catalina: Die Chancen stehen gut.
Journalist 9, 2019, S. 12-19.

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Beatrice Dernbach
*1964, Prof. Dr., lehrt und forscht seit März 2014 an der Technischen Hochschule Nürnberg im Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR. Arbeitsschwerpunkte: Fachjournalismus, Wissenschaftskommunikation, Nachhaltigkeit und Ökologie im Journalismus, Narration im und Vertrauen in Journalismus. Kontakt: beatrice.dernbach (at) th-nuernberg.de Zu Nachrichtenfaktoren im Journalismus hat Beatrice Dernbach einen → Einführungsbeitrag geschrieben.