Redakteur

24611

Wortherkunft: Im 18. Jahrhundert von frz. rédacteur (= Verfasser, Schriftleiter) entlehnt; Ursprung aus lat. redactum (= in einen Zustand bringen, in eine Lage versetzen).

Definition:
Die Bezeichnung Redakteur wird häufig synonym für → Journalist verwendet, die beiden Begriffe müssen jedoch unterschieden werden. Ein Journalist arbeitet hauptberuflich für Print-, Rundfunk- und Online-Medien, ist festangestellt, Pauschalist oder so genannter Freier. Bei dem Begriff Redakteur hingegen handelt es sich um eine Positionsbezeichnung innerhalb eines Betriebs. Der Redakteur ist in Presse, Hörfunk, Fernsehen oder anderen Medien bzw. Unternehmen, die publizistische Dienstleistungen anbieten, in der Regel festangestellt. Diese Position wird nach einem abgeschlossenen Volontariat oder nach einigen Jahren Berufstätigkeit erreicht (vgl. DJV Tarife 2017). Innerhalb der Redaktion ist er für ein bestimmtes Ressort zuständig und trägt dafür die Verantwortung.

Entsprechend lässt sich diese Positionsbezeichnung hierarchisch gliedern: Die Gesamtredaktion ist die Abteilung in einem Medienbetrieb, die die journalistische Arbeit erbringt, indem sie Informationen sammelt, bearbeitet und veröffentlicht. Sie wird geleitet von der Chefredaktion (auch Programmdirektion). Dazu gehört neben dem Stellvertreter der Chef vom Dienst, der die Verbindung zwischen Redaktion und anderen Abteilungen der Medienorganisation (v.  a. Technik und Verlag) herstellt. Ressortleiter organisieren die jeweiligen Sachgebiete; dazu dienen auch Redaktionskonferenzen und → Newsrooms. Hinzu kommen je nach Redaktionsorganisation u.a. Ausbildungsredakteure, Leiter der Fotoredaktion oder Leiter redaktioneller Sonderausgaben.

Geschichte:
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Wochen- und Tagespresse vor allem von Druckern nebenberuflich organisiert. Die Nachrichten, die von Behörden, Ämtern und auch von nebenberuflich als Journalisten tätigen Schriftstellern in der Druckerei ankamen, wurden in der Reihenfolge ihres Eingangs gesetzt und mit Titeln versehen, die nur auf den Ort und das Datum des Geschehens hinwiesen. Mit der Entstehung der Massenpresse Mitte des 19. Jahrhunderts differenzierten sich neben der technischen auch die ökonomische und die redaktionelle Rolle heraus. Wesentliche Aufgabe des Redakteurs war die Informationssammlung und -aufbereitung (vgl. Blöbaum 1994: 136). Die Texte wurden zunehmend selbst von den Redakteuren recherchiert bzw. die Informationen von externen Mitteilungen überprüft, die Texte in unterschiedlichen → Genres verfasst, in Ressorts sortiert und durch konkrete → Schlagzeilen und Bilder ergänzt.

Zu Beginn des Dritten Reiches gab es tausende von Zeitungen und dementsprechend viele Redakteure. Die Nationalsozialisten stärkten ihre Macht, indem sie das gesamte publizistische System ihren Propagandazwecken unterwarfen (die so genannte Gleichschaltung). Publizistisch bzw. journalistisch tätig sein durfte nur, wer den Richtlinien der Reichskulturkammer bzw. des Schriftleitergesetzes entsprach.

Aufgrund dieser Erfahrungen wurden in der Bundesrepublik Deutschland für die Tätigkeit des Redakteurs keine Normierungen des Zugangs und der Ausbildung gesetzlich fixiert. Deshalb ist die Bezeichnung Redakteur ebenso wie die des Journalisten nicht geschützt. Heutzutage bezeichnen sich auch diejenigen, die beispielsweise im Internet publizieren, häufig selbst als Redakteure, auch wenn sie nicht professionell ausgebildet worden sind.

Forschungsstand:
Diese Heterogenität des Berufsfeldes führt dazu, dass auch in der Forschung ebenfalls häufig nicht differenziert wird zwischen dem Beruf des Redakteurs und des Journalisten. Die Statistiken über die Gesamtzahl der Publizisten unterscheiden sich aufgrund der engeren und weiteren Definitionen wesentlich. Das weiteste Verständnis hat die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA), das unter der Sparte Publizisten/innen neben Journalisten und Redakteuren auch Schriftsteller, Dramaturgen und andere subsumiert. Die aktuellsten Zahlen werden für das Jahr 2011 ausgewiesen: Hier stehen rund 66.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 5300 arbeitslose Publizisten gegenüber. Hinzu kommen mehrere zehntausend Freie, deren Zahl noch schwerer zu erfassen ist (vgl. IAB 2017).

Davon abweichend zählt der Deutsche Journalisten-Verband für das Jahr 2012 rund 72.500 hauptberufliche Journalisten, worunter gemäß Verbandsdefinition auch PR-Journalisten und Journalistenausbilder gehören (vgl. DJV Arbeitsmarkt 2017). Die kleinste Grundgesamtheit weist die Journalismus-in-Deutschland-Studie (JouriD) aus: Demnach sind 48.000 Männer und Frauen hauptberuflich festangestellt oder als feste Pauschalisten in Medien tätig (vgl. Weischenberg u. a. 2006: 33).

Aufgrund der sich wandelnden ökonomischen, politisch-rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen verändern sich die Arbeitsschwerpunkte der Redakteure seit den 1990er Jahren kontinuierlich. Der Zeitaufwand für Organisation und Produktion ist – bei gleichbleibender Gesamtarbeitszeit von etwa 45 Stunden pro Woche – im Verhältnis zu den originär journalistischen Tätigkeiten wie Recherche, Texten und Selektion gestiegen (vgl. Weischenberg u.a. 2006: 79ff. und 267): Im Vergleich zwischen 1993 und 2005 ist die durchschnittlich aufgewendete Zeit für Recherche von 140 auf 117 Minuten täglich zurückgegangen, der Aufwand für Technik (von 50 auf 84), Kontakt mit dem Publikum (von 0 auf 26) sowie Organisation und Verwaltung (von 69 auf 78) hat sich dagegen erhöht. Hinzugekommen sind eine Reihe von neuen Tätigkeiten, die wesentlich mit dem Internet zu tun haben (2005 insgesamt 122 Minuten, die Hälfte davon für die Online-Recherche).

Der Nachrichtenredakteur ist wohl der ,Klassiker‘ im journalistischen Berufsfeld. Er ist der Gatekeeper, für den sich früh die Kommunikatorforschung interessierte (im Überblick: Engelmann 2016): Er sortierte und selektierte die Nachrichten am → Ticker nach Wichtigkeit und Verwertbarkeit. Der Redakteur tat dies nicht aufgrund persönlicher Präferenzen (wobei individuelle und psychische Voreinstellungen ihre Einflüsse haben), sondern aufgrund professioneller Kriterien (→ Nachrichtenfaktoren) und organisationsspezifischer Standards (abhängig vom Medium und vom Zielpublikum). Diese Kriterien sind erlernbar und stehen nach wie vor im Zentrum der journalistischen Qualifizierung – auch wenn die Nachrichten heute digital verarbeitet werden und die Anforderungen an technische Kompetenzen und die Fähigkeiten, mit Suchmaschinen umzugehen, wichtiger werden (vgl. Hanitzsch u. a. 2016: 5).

Literatur:

Arlt, Hans-Jürgen; Wolfgang Storz: Journalismus oder Animateur – ein Beruf im Umbruch. OBS-Arbeitspapier Nr. 22. Frankfurt/M. [Otto-Brenner-Stiftung] 2016. https://www.otto-brenner-shop.de/uploads/tx_mplightshop/AP22_ArltStorz.pdf (09.05.2017).

Baumert, Dieter Paul: Die Entstehung des deutschen Journalismus. Eine sozialgeschichtliche Studie. Herausgegeben und eingeleitet von Walter Hömberg. Baden-Baden [Nomos] 2013 [1928].

Blöbaum, Bernd: Journalismus als soziales System. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1994.

Deutscher Journalisten-Verband (DJV) (Hrsg.): Berufsbild Journalistin – Journalist. DJV Wissen: 4. Berlin [Deutscher Journalisten-Verband] 2015. http://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Infos_PDFs/Flyer_Broschuren/wissen4_Berufsbild.pdf (09.05.2017).

Deutscher Journalisten-Verband (DJV): Tarife und Honorare. https://www.djv.de/startseite/info/beruf-betrieb/uebersicht-tarife-honorare.html (13.07.2017).

Deutscher Journalistenverband (DJV): Arbeitsmarkt und Berufschancen. https://www.djv.de/startseite/info/themen-wissen/aus-und-weiterbildung/arbeitsmarkt-und-berufschancen.html (12.07.2017).

Engelmann, Ines: Gatekeeping. Baden-Baden [Nomos] 2016.

Hanitzsch, Thomas; Nina Steindl; Corinna Lauerer: Country Report. Journalists in Germany. München [Ludwig-Maximilians-Universität] 2016. https://epub.ub.uni-muenchen.de/28095/1/Country%20report%20Germany.pdf (09.05.2017).

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Berufe im Spiegel der Statistik. Nürnberg, o.J. http://bisds.infosys.iab.de/bisds/result?region=19&beruf=BO821&qualifikation=2 (30.05.2017).

Meyen, Michael; Nina Springer: Freie Journalisten in Deutschland. Ein Report. Konstanz [UVK] 2009.

Statista: Journalismus. Dossier. Hamburg, 2016. https://de.statista.com/statistik/studie/id/7237/dokument/journalismus-statista-dossier/ (09.05.2017).

Weischenberg, Siegfried; Maja Malik; Armin Scholl: Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz [UVK] 2006.

Vorheriger ArtikelJournalist
Nächster ArtikelNachruf
*1964, Prof. Dr., lehrt und forscht seit März 2014 an der Technischen Hochschule Nürnberg im Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR. Arbeitsschwerpunkte: Fachjournalismus, Wissenschaftskommunikation, Nachhaltigkeit und Ökologie im Journalismus, Narration im und Vertrauen in Journalismus. Kontakt: beatrice.dernbach (at) th-nuernberg.de Zu Nachrichtenfaktoren im Journalismus hat Beatrice Dernbach einen → Einführungsbeitrag geschrieben.