Launch/Relaunch

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Bei einem Launch oder Relaunch lässt man die Champagnerkorken knallenWortherkunft: Das englischsprachige Substantiv ‚launch‘ (Verb ‚to launch‘) bezeichnet einen Beginn oder eine Gründung. ‚Launch‘ wird beispielsweise der Start einer Rakete genannt, auch eine → Kampagne kann ‚gelauncht‘ werden. Wie das französische ‚lancer‘ und das im Deutschen daraus abgeleitete Verb ‚lancieren‘ geht der Begriff zurück auf das spätlateinische ‚lanceare‘ = eine Lanze werfen.

Definition:
In der Marketingsprache steht ‚Launch‘ allgemein für die Einführung eines neuen Produkts, auch in der Medienbranche ist dieser Begriff gebräuchlich. Von einem ‚Relaunch‘ ist die Rede, wenn eine etablierte Medienmarke grundlegend umgestaltet und um neue Rubriken, Sektionen und Formate erweitert wird. Beschränkt sich die Überarbeitung auf die gestalterische Form, zum Beispiel die Änderung der Grundschrift, der Spaltigkeit oder der Bildsprache, haben wir es mit einem ‚Redesign‘ zu tun. Reiter/Waas erwähnen in diesem Zusammenhang auch die ‚Repositionierung‘: „Während nach dem Relaunch die gleiche Zielgruppe angesprochen werden soll wie vor dem Relaunch, spricht ein neu positioniertes Produkt eine veränderte Zielgruppe an“ (Reiter/Waas 2009: 12). In der Praxis sind die Übergänge fließend. In den meisten Fällen folgen die Neuerungen (auch) dem Wunsch, bestimmte Zielgruppen, zum Beispiel Jüngere oder Frauen, (besser) zu erreichen. Obwohl es auch im Fernsehen und im → Radio neue Sendeformen und überarbeitete Formate gibt, sind hier die genannten Begriffe weniger gängig.

Geschichte:
Zu den bekanntesten Launches in der jüngeren deutschen Mediengeschichte zählen die taz (1978), der Focus (1993), Spiegel Online (1994), die überregionale Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (2001) und Landlust (2005). Nicht jede Neugründung führt zu dauerhaftem Erfolg, so wurde die im Jahr 2000 gestartete Financial Times Deutschland 2012 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. In der englischsprachigen Welt sind USA Today (1982), der Independent (1986, seit 2016 nur noch digital) oder Politico (2007, europäische Ausgabe seit 2015) zu nennen, in Frankreich die Internet-Publikation Mediapart (2008). Tiefgreifende Relaunches legten das Handelsblatt 2005 und die Frankfurter Rundschau 2007 vor, als sie ihre gedruckten Ausgaben auf das Tabloid-Format verkleinerten, von dem angenommen wird, es spreche eine jüngere Leserschaft eher an als das große Nordische Format (eher skeptisch: Haller 2009). Während einige Medienhäuser Redesigns oder Relaunches aus eigener Kraft bewerkstelligen, versichern sich andere der Beratung und Mitwirkung renommierter Designer. In der Printwelt haben sich dabei neben anderen Norbert Küpper und Mario Garcia einen Namen gemacht. Wegen der Komplexität der Online-Medien, die Schrift, Bild, Film und Ton integrieren, ist der Einfluss einzelner ‚Designpäpste‘ zuletzt zurückgegangen, Online-Relaunches werden zunehmend von darauf spezialisierten Agenturen vorgenommen.

Gegenwärtiger Zustand:
Neugestaltungen folgen der Erkenntnis, dass die äußere Form und die Präsentation journalistischer → Inhalte deren Wahrnehmung erheblich beeinflussen. Garcia nennt drei bestimmende Faktoren, die Neuerungen begünstigen: „die technische Entwicklung, Marketingerfordernisse – und die anderen Medien“ (Garcia 1998). Während die (Hoch-)Drucktechnik der Gestaltung von Zeitungen und Zeitschriften bis in die achtziger Jahre Grenzen setzte, eröffneten Computersatz und Ganzseitenumbruch neue Design-Optionen. Die Online-Medien erweitern den Gestaltungsspielraum fast ins Unermessliche. Dazu kam, dass sich unter dem Druck stetiger Auflagenrückgänge auch Printjournalisten zunehmend für Publikumswünsche und Redaktionsmarketing zu interessieren begannen (Jansen/Alashe 2006: 61ff.; Niggemeier: 2006). Der Strukturwandel der Medien hat zudem den Blick für Konkurrenzbeobachtung und Benchmark-Orientierung geschärft (Reiter/Waas 2009: 31 ff.). Weil in den Online-Medien in Sekundenschnelle messbar ist, ‚was klickt‘, hat die Bereitschaft zugenommen, Vorlieben des → Publikums in Gestaltung und Inhalt zu folgen. Waren große Redesigns und Relaunches in der Printwelt Gesprächsthemen zumindest in der Fachöffentlichkeit – dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung fortan täglich ein → Foto auf ihrer Titelseite brachte, schaffte es 2007 in die Fernsehnachrichten –, vollziehen sich Neugestaltungen in den Online-Medien ungleich häufiger und so gut wie ohne Begleitberichterstattung.

Forschungsstand:
Auch wenn Relaunches keine eigene Teildisziplin der Medienwissenschaft sind, so spielt die Erforschung der Leserschaft und deren Wünsche und Vorlieben in der Praxis doch eine große Rolle. Der Launch der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Jahr 2001 dürfte eine der wenigen Produkteinführungen gewesen sein, die sich nicht auf wissenschaftliche Markt- oder Leserschaftsanalysen stützte. Üblicherweise werden Redesigns und Relaunches eingebettet in und abgesichert durch Begleituntersuchungen. Dabei wird das ganze Instrumentarium eingesetzt, von Publikumsbefragungen und Experten-Interviews über Blickaufzeichnungen bis zum Einsatz von Readerscan-Verfahren. Semantische Differentiale helfen zu ermitteln, wie ein Produkt vor und nach der Umgestaltung wahrgenommen wird. In der Online-Welt messen Usability-Untersuchungen die Bedienfreundlichkeit von Websites (Reiter/Waas 2009: 12ff.). Außerdem spielt die → Search Engine Optimierung (SEO) eine große Rolle. Getrieben von dem Wunsch und der Notwendigkeit, in den Trefferlisten der → Suchmaschinen möglichst weit oben aufzutauchen, investieren Medienhäuser in Techniken, die ermitteln sollen, wie → Überschriften formuliert und Texte aufgebaut sein sollten, um diesem Ziel nahezukommen. Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass in der Online-Welt permanente Redesigns und Relaunches eher den Normalfall als die Ausnahme darstellen.

Literatur:

Garcia, Mario: Schöner lesen! In: DIE ZEIT, 29.01.1998, S. 15.

Haller, Michael: Zeitungsformate. Akrobaten ohne Netz. In: Message, 3, 2009, S. 48.

Jansen, Kerstin; Oyindamola Alashe: Es kann sich auszahlen. Redaktionelles Marketing und Management. In: Rager, Günter; Karola Graf-Szczuka; Gregor Hassemer; Stephanie Süper (Hrsg.): Zeitungsjournalismus. Empirische Leserschaftsforschung. Konstanz [UVK] 2006, S. 57-67.

Küpper, Norbert: Zeitungsdesign und Leseforschung. Meerbusch [International Editorial-Design & Research Forum] 2015.

Küpper, Norbert: The Guardian with a new design in print, web and app. In: Medium.com, 15.01.2018. https://medium.com/@nkuepper/the-guardian-with-a-new-design-in-print-web-and-app-30fab6c97529 [29.08.2022]

Lewandowski, Dirk: SEO-Effekt. Der Effekt der Suchmaschinenoptimierung auf die Suchergebnisse von Suchmaschinen: Modellentwicklung, empirische Überprüfung und Triangulation mit NutzerInnen und ExpertInneneinschätzungen. In: HAW-hamburg.de. https://www.haw-hamburg.de/forschung/forschungsprojekte-detail/project/project/show/seo-effekt/ [29.08.2022]

Niggemeier, Stefan: Was wollen Sie von uns? Zeitungen erforschen ihre Leser und erfahren, daß sie sich ändern müssen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 02.04.2006, S. 33.

Reiter, Markus; Eva-Maria Waas: Der Relaunch. Zeitung – Zeitschrift – Internet. Konstanz [UVK] 2009.

Rinsdorf, Lars: Den Leser verstehen. Marktforschung für Zeitungen. In: Rager, Günter; Karola Graf-Szczuka; Gregor Hassemer; Stephanie Süper (Hrsg.): Zeitungsjournalismus. Empirische Leserschaftsforschung. Konstanz [UVK] 2006, S. 281-290.

Weichler, Kurt: Redaktionsmanagement. Konstanz [UVK] 2003.

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Werner D'Inka
*1954, studierte Publizistik, Politik und Geschichte in Mainz und an der FU Berlin. Er trat 1980 in die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein, wurde 1991 deren Chef vom Dienst und gehörte von 2005 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2020 dem Herausgeberkollegium an. Seit den neunziger Jahren regelmäßige Lehraufträge für Redaktionsmanagement und Journalistisches Schreiben am Medienstudiengang der Universität Siegen. Ehrenamtliches Engagement in der Journalistenausbildung in Russland, seit 2014 in der Ukraine.