Kampagne

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Definition:
Der Kampagnenbegriff hat – wie so viele Begriffe im Kontext der strategischen Kommunikation – einen militärischen Ursprung. So beschreibt ‚campagna‘ ursprünglich die Dauer von Feldzügen. Im 17. Jahrhundert diffundierte der Kampagnenbegriff in das politische Handlungsfeld: Die Sitzungsperiode des englischen Parlaments wurde als ‚campaign‘ bezeichnet, später wurde auch die Bewerbung um die Nominierung für ein politisches Amt als Kampagne genannt (Leggewie 2009: 119-123; Blanke 2010: 31-33). Die Mobilisierung von Wählern in Wahlkämpfen mit dem Ziel der ‚Eroberung von Mandaten‘ stellt entsprechend eine Urform von Kampagnen dar, und Wahlkampagnen sind auch heute noch ein klassischer Kampagnentypus. Darüber hinaus versammeln sich unter dem Dachbegriff ‚Kampagne‘ sehr viele, im Detail recht unterschiedliche Kommunikationsmaßnahmen, die von verschiedensten Organisationen aus allen gesellschaftlichen Handlungsfeldern eingesetzt werden. Neben Unternehmen der Privatwirtschaft setzen u. a. auch Verbände, NGOs, Vereine oder politische Organisationen auf die Durchführung von Kampagnen. Entsprechend vielfältig sind daher die verwendeten Kampagnenbegriffe: Sozial-, Informations-, Kommunikations-, Mobilisierungs-, Druck-, Image-, Produkt-, Werbe-, Wahl-, und Medienkampagnen sind nur einige der gängigen Bezeichnungen.

Kleinster gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen Kampagnen ist, dass sie weitreichende öffentliche Aufmerksamkeit für das jeweilige Kampagnenthema und/oder den Kampagnenakteur erzielen wollen. Kampagnen basieren dazu auf einer besonderen Fokussierung (Kamps 2007: 239): Sie sind zeitlich befristet, stellen eine besondere Konzentration der personellen und finanziellen Ressourcen der kampagnenführenden Organisation dar und signalisieren die hervorgehobene Bedeutung des jeweiligen Themas für die kampagnenführende Organisation (Arlt 2001).

Eine allgemeingültige, handlungsfeldübergreifende Definition, die offen ist für die heterogenen Ziele, Methoden sowie die unterschiedlichen medialen Vermittlungswege von Kampagnen, hat Röttger (2019) in Anlehnung an Rogers und Storey (1987) und Röttger 2009 vorgelegt:

„Kampagnen sind zielgerichtete, dramaturgisch angelegte, thematisch fokussierte, zeitlich befristete kommunikative Strategien, die auf ein Set unterschiedlicher kommunikativer Instrumente und Techniken – insbesondere werbliche Mittel, marketingspezifi sche Instrumente und klassische PR-Maßnahmen – zurückgreifen und als Minimalziel öffentliche Aufmerksamkeit im Sinne der kampagnenführenden Organisation erzielen wollen.“

Die Ziele von Kampagnen können ganz allgemein in kognitiv-, affektiv- und konativ-orientierte Ziele unterschieden werden (Bonfadelli 2015: 819), wobei in der Praxis vorwiegend unterschiedliche Zieltypen kombiniert miteinander auftreten: Kampagnen wollen in der Regel die Bekanntheit und Wahrnehmung eines Themas oder Akteurs beeinflussen und Informationen zu einem bestimmte Thema vermitteln (kognitiv-orientierte Ziele) und darauf aufbauend z. B. Meinungen und Einstellungen verändern oder ein spezifisches Problembewusstsein herstellen (affektiv-orientierte Ziele). Zu den affektiv-orientierte Zielen zählt auch der Aufbau und die Pflege der Reputation einer Organisation oder des Markenimages sowie der Aufbau und die Stabilisierung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in den Beziehungen zwischen Stakeholdern und kampagnenführender Organisation. Konativ-orientierte Kampagnenziele beziehen sich schließlich auf intendierte Anschlusshandlungen oder intendierte Anschlusskommunikation auf Seiten der Zielgruppen der Kampagne: Dies reicht von der Beeinflussung von Wahl- oder Kaufentscheidungen über die Stimulierung von (positivem) Word-of-Mouth und hohen Weiterempfehlungsraten bis hin zur Rekrutierung von Mitgliedern und Spenden oder insbesondere im Falle von Nonprofit-Organisationen der aktions- oder protestorientierten Mobilisierung von Zielgruppen (vgl. Röttger 2019).

Gegenwärtiger Zustand:
Der begrenzten Aufmerksamkeit der Zielgruppen steht heute ein Überangebot an öffentlich zugänglichen Informations- und Kommunikationsangeboten gegenüber, die von unterschiedlichsten Akteuren (u. a. Medien, Unternehmen, Parteien und staatliche Organisationen) angeboten werden. In der Konkurrenz um die knappe Ressource Aufmerksamkeit versuchen Kampagnen die Selektionshürden auf Seiten der Medien und der Zielgruppen durch Erfüllung von Nachrichtenfaktoren, durch Ereignis- und Themenmanagement und durch aufmerksamkeitsstarke, spektakuläre Inszenierungen zu überwinden. Die dramaturgische Anlage von Kampagnen umfasst idealtypisch die drei Phasen Steigerung, Durchdringung und Konkretisierung (Röttger 2019). Dabei besitzen – wie in allen Bereichen der strategischen Kommunikation – Formen der Onlinekommunikation im Kontext der Kampagnenkommunikation eine wachsende Bedeutung. Kampagnen umfassen heute in der Regel eine Kombination von klassischen (Offline-)Maßnahmen (z. B. Großplakate, Anzeigen, Flyer, Pressearbeit) und Onlineangeboten (z. B. Kampagnenwebsite, YouTube-Spots, Kampagnen-Facebookseite). Zudem zeigt sich die Tendenz, dass gerade ressourcenschwache Organisationen Kampagnen komplett online umsetzen. Von besonderer Bedeutung sind dabei vielfach Formen der viralen Kommunikation bzw. Word-of-Mouth-Effekte. Entsprechende Kampagnen sind darauf ausgelegt, dass sie durch die Nutzer selbst weiterempfohlen und -geleitet werden und auf diesem Weg eine möglichst große Verbreitung finden.

Forschungsstand:
Da Kampagnen in ihren Ausprägungen und Einsatzfeldern in der Praxis extrem vielfältig sind, ist auch die kampagnenbezogene Forschung sehr heterogen. Dies beginnt bei den an der Forschung maßgeblich beteiligten wissenschaftlichen Fächern (neben der Kommunikationswissenschaft, insbesondere auch die Politikwissenschaft und die Soziologie), reicht über ein breites Spektrum an unterschiedlichen Theorie- und Forschungszugängen und endet bei einer Vielzahl unterschiedlichster Fragestellungen, die breit analysiert werden. Einen Überblick über ‚den Forschungsstand‘ zu Kampagnen zu geben, ist daher unmöglich. Zugleich zeigen sich jedoch in der Forschung, auch aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz einzelner Kampagnentypen, gewisse Cluster mit intensiven Forschungsaktivitäten: Dazu zählen ohne Frage die Forschung zu politischen Kampagnen (u. a. Schemer 2009; Donges 2009) und zu Gesundheits- und Präventionskampagnen (u. a. Rossmann und Hastall 2019).

Literatur:

Arlt, Hans-Jürgen: Kampagnenkommunikation (Hauptreferat bei der Veranstaltung ‚Theorie und Praxis der Kampagnenführung‘ im Rahmen der Veranstaltungsreihe ‚Forum Politikberatung‘ des Renner Instituts). Wien [Renner Institut] 2001.

Blanke, Eberhard: Kommunikationskampagnen. Ansätze und Kriterien einer praktisch-theologischen Kampagnentheorie. Stuttgart [Kohlhammer] 2010.

Bonfadelli, Heinz: Kampagnen-Kommunikation. In: Fröhlich, Romy; Peter Szyszka; Günter Bentele (Hrsg.): Handbuch der Public Relations. 3. Auflage. Wiesbaden [Springer VS] 2015, S. 815–829.

Donges, Patrick: Politische Kampagnen. In: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 4. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2009, S. 135-148.

Leggewie, Claus: Kampagnenpolitik – eine nicht ganz neue Form politischer Mobilisierung. In: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 4. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2009, S. 119-134.

Röttger, Ulrike: Kommunikationskampagnen planen und steuern: Thematisierungsstrategien in der Öffentlichkeit. In: Zerfaß, Ansgar; Manfred Piwinger; Ulrike Röttger (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden [Springer Gabler] 2019. doi: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03894-6_23-1.

Röttger, Ulrike: Campaigns (f)or a better world? In: Röttger, Ulrike (Hrsg.): PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 4. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2009, S. 9-24.

Rossmann, Constanze; Matthias Hastall (Hrsg.): Handbuch der Gesundheitskommunikation: Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden [Springer VS] 2019.

Schemer, Christian: Politische Kampagnen für Herz und Verstand : Affektive und kognitive Einflüsse der Massenmedien auf politische Einstellungen. Baden-Baden [Nomos] 2009.

 

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Ulrike Röttger
*1966, Prof. Dr., ist seit 2003 Universitätsprofessorin für Public-Relations-Forschung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie ist Mitglied der wissenschaftlichen Leitung der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation, in der rund 40 globale Konzerne und mehrere Universitäten gemeinsam Forschung und Wissenstransfer im Bereich der strategischen Kommunikation fördern. Sie studierte Journalistik an der Universität Dortmund und promovierte an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte sind v.a. CSR-Kommunikation, Vertrauen und strategische Kommunikation, kommunale Kommunikation. Kontakt: ulrike.roettger@uni-muenster.de