Open Access

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Verfasst zusammen mit → Leonhard Dobusch

Schild an einer Tür symbolisiert Open AccessWortherkunft: Der Begriff ‚Open Access‘ ist ein Kompositum aus ‚Open‘ (deutsch: offen) und ‚Access‘ (deutsch: Zugang). Access bezieht sich hierbei auf den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und anderen Materialien im Internet. ‚Open‘ bezieht sich auf die technischen und rechtlichen Bedingungen dieses Zugangs. Die Bedeutung des Begriffes ‚Open‘ im Kontext von Open Access ist eng mit der ‚Open-Source-Software-Bewegung‘ verbunden (Willinsky 2005).

Definition:
Eine der ersten und bis heute wichtigsten Definitionen von Open Access geht auf ein Treffen von Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen in Budapest im Jahr 2002 zurück. Die ‚Budapest Open Access Initiative‘ definierte als Ergebnis des Treffens den Begriff wie folgt: „Open Access [zu wissenschaftlicher Literatur] meint, dass diese Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, sodass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.“ (BOAI 2002)

Geschichte:
Wie jede Form des institutionellen Wandels ist auch die Geschichte von Open Access nur anhand mehrerer konvergierender Wandlungsprozesse zu verstehen (Heise 2018; Mruck et al. 2004; Suber 2016). Einer der Ursprünge von Open Access liegt in wissenschaftlichen Tauschkulturen, wie es sie schon lange vor der Entstehung des Internets gab. Parallel zum Publikationsprozess in wissenschaftlichen Zeitschriften haben Forscher:innen in den USA zum Beispiel bereits in den 60er Jahren damit begonnen, im größeren Stil unveröffentlichte Manuskripte und Notizen per Post auszutauschen (Cobb 2017). Seit den 1990er Jahren entwickelten sich parallel zu elektronischen Fachzeitschriften sogenannte ‚Preprint-Server‘ (z. B. arXiv), auf denen Wissenschaftler:innen ihre unveröffentlichten Forschungsergebnisse anderen frei zur Verfügung stellen konnten. Eine weitere Triebkraft der Open-Access-Transformation liegt in der sogenannten ‚Zeitschriftenkrise‘ (Hanekop/Wittke 2005; Kopp 2000). Zur Mitte der 1990er Jahre erhöhten Wissenschaftsverlage die Preise ihrer Zeitschriften drastisch. Gleichzeitig stieg innerhalb der Wissenschaft die Bedeutung einzelner ‚Top Journals‘. Viele Forschungseinrichtungen sahen sich daher finanziell nicht mehr in der Lage, ihren Wissenschaftler:innen einen umfassenden Zugang nicht nur zu ‚Top Journals‘, sondern auch anderen Publikationsorganen zu gewährleisten. Aus dieser für die Wissenschaft unangenehmen Lage (v. a. die weitere Marginalisierung von Nischenzeitschriften und Monographien) entstand die Forderung, dass Wissenschaftsverlage von einem Abonnement-Modell auf ein Open-Access-Modell umsteigen sollen (s. Max-Planck-Gesellschaft 2003). Ein grundlegender Wandel in Richtung Open Access zeichnet sich in Deutschland jedoch erst seit wenigen Jahren ab. Im Jahr 2014 beauftragte die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) damit, bundesweit neue Open-Access-Vertragsmodelle mit den drei großen Wissenschaftsverlagen Elsevier, Springer Nature und Wiley zu verhandeln (die Initiative trägt den Namen ‚Projekt DEAL‘). Um den Druck auf die Großverlage zu erhöhen, ließen mehr und mehr Forschungseinrichtungen ihre Verträge mit den Großverlagen auslaufen. Im Januar 2019 wurde schließlich mit Wiley, einem der Großverlage, der erste umfassende Open-Access-Vertrag abgeschlossen. Ein ähnliches Abkommen wurde ein Jahr später auch mit Springer Nature unterzeichnet (Springer Nature 2020). Der vertragslose Zustand zwischen Elsevier und knapp 200 Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen besteht derweil fort (Stand Oktober 2020).

Gegenwärtiger Zustand:
Open Access hat sich von einem wissenschaftsinternen Diskurs zu einer wichtigen Verbindung zwischen Forschung und Journalismus entwickelt. Zum einen ermöglicht der offene Zugang zu Forschungsliteratur Journalist:innen eine ergänzende Alternative zum klassischen Expert:innengespräch. Zum anderen ermöglichen vor allem Preprints dem Journalismus, deutlich schneller als zuvor Forschungsergebnisse in die Berichterstattung einfließen zu lassen. Dieser Chance für den → (Wissenschafts-)Journalismus stehen jedoch auch neue Herausforderungen gegenüber. Wenn sich Journalist:innen auf begutachtete (‚peer-reviewed‘) Open-Access-Publikationen beziehen, besteht die Herausforderung in der angemessenen Auswahl und Übersetzung der Forschungsergebnisse in Alltagssprache. Wenn sich Journalist:innen jedoch zudem auf unbegutachtete Preprints beziehen, z. B. um möglichst schnell über Forschungsfortschritte in einem drängenden Thema wie COVID-19 zu berichten, besteht zudem die Herausforderung der Qualitätssicherung (Heimstädt 2020). Gelingt die Qualitätssicherung nicht, kann es dazu kommen, dass Journalist:innen sich auf Preprints beziehen, die sich kurze Zeit später als wissenschaftlich wertlos herausstellen.

Forschungsstand:
Zum einen findet sich Forschung zu Open Access innerhalb der Informations- und Wissenschaftsforschung, also einer Forschung, deren Untersuchungsobjekt die Wissenschaft selbst ist (z. B. Laakso et al. 2011). Zum anderen findet sich auch in vielen Fachdisziplinen Forschung zur Rolle von Open Access für das eigene Feld (zu BWL s. Dobusch/Heimstädt 2019). Interessant für Journalist:innen ist vor allem organisationswissenschaftliche Forschung, die sich mit möglichen Schnittstellen von Journalismus und Wissenschaft beschäftigt. Beispielsweise befasst sich diese Forschung mit neuen Organisationsformen wie Science-Media-Centers, die wissenschaftliche (Open-Access-)Publikationen sichten, sortieren, einordnen und somit für den klassischen Wissenschaftsjournalismus aufbereiten (Rödder 2017).

Literatur:

BOAI: Budapest Open Access Initiative – German Translation, 2002. https://www.budapestopenaccessinitiative.org/translations/german-translation [04.12.2020]

Cobb, Matthew: The prehistory of biology preprints: A forgotten experiment from the 1960s. In: PLoS Biology 15(11), 2017, S. 1–12.

Dobusch, Leonard; Maximilian Heimstädt: Predatory publishing in managenment research: A call for open peer review. In: Management Learning, 50(5), 2019, S. 607-619.

Hanekop, Heidemarie; Volker Wittke: Das wissenschaftliche Journal und seine möglichen Alternativen: Veränderungen der Wissenschaftskommunikation durch das Internet. In: Hagenhoff, Svenja et al.: Göttinger Schriften zur Internetforschung. Göttingen [Universitätsverlag Göttingen] 2005, S. 187–219.

Heimstädt, Maximilian: Between fast science and fake news: Preprint servers are political. In: Impact of Social Sciences Blog, 2020.  https://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/2020/04/03/between-fast-science-and-fake-news-preprint-servers-are-political/ [04.12.2020]

Heise, Christian: Von Open Access zu Open Science: Zum Wandel digitaler Kulturen der wissenschaftlichen Kommunikation. Lüneburg [Meson Press] 2018.

Kopp, Hans: Die Zeitschriftenkrise als Krise der Monographienbeschaffung. In: Bibliotheksdienst 34(11), 2000, S. 1822–1827.

Laakso, Mikael; Patrik Welling; Helena Bukvova; Linus Nyman; Bo-Christer Björk; Turid Hedlund: The development of open access journal publishing from 1993 to 2009. In: PloS one, 6(6), 2011.

Max-Planck-Gesellschaft: Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen, 2003. https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung [04.12.2020]

Mruck, Katja; Stefan Gradmann; Günter Mey: Open Access: Wissenschaft als Öffentliches Gut. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research 5(2), 2004.

Rödder, Simone: Organisationstheoretische Perspektiven auf die Wissenschaftskommunikation. In: Bonfadelli, Heinz; Birte Fähnrich; Corinna Lüthje; Jutta Milde; Markus Rhomberg; Mike S. Schäfer: Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation. Wiesbaden [Springer VS] 2017, S. 63-81.

Springer Nature: Springer Nature and Germany’s Projekt DEAL finalise world’s largest transformative open access agreement, 2020. https://group.springernature.com/de/group/media/press-releases/springer-nature-projekt-deal/17553230 [13.10.2020]

Suber, Peter: Knowledge Unbound: Selected Writings on Open Access, 2002–2011. Boston, MA [MIT Press] 2016.

Willinsky, John: The unacknowledged convergence of open source, open access, and open science. First Monday, 2005. https://doi.org/10.5210/fm.v10i8.1265

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Maximilian Heimstädt
*1989, Prof. Dr., ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Digital Governance & Service Design, an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Er ist außerdem assoziierter Forscher am Weizenbaum-Institut, wo er von 2020 bis 2024 die Forschungsgruppe „Reorganisation von Wissenspraktiken“ leitete. Nach seiner Promotion an der Freien Universität Berlin arbeitete er als Postdoc an der Universität Witten/Herdecke und der Universität Bielefeld. In seiner Forschung interessiert er sich für die Beziehung zwischen digitalen Technologien und Expertenarbeit in öffentlichen Organisationen und organisierten Öffentlichkeiten.