Aktualität

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Wortherkunft: frz. actualité = Wirklichkeit, Gegenwärtigkeit, Neuigkeit; gebildet nach lat. actualitas = Wirksamkeit

Der Begriff bezeichnet (1) eines der Merkmale, durch die sich Journalismus von anderen Formen der Kommunikation unterscheidet; (2) eines der journalistischen Qualitätsmerkmale.

(1) Noch im 18. Jahrhundert wird der Begriff Aktualität vorwiegend im Sinne der mittellateinischen Bedeutung als ‘Wirksamkeit’ gebraucht. Im 19. Jahrhundert setzt jedoch im Zuge der Nutzung als journalistisches Konzept ein Bedeutungswandel ein – Gegenwärtigkeit und Neuigkeit rücken in den Vordergrund.

Aktualität in diesem journalistischen Sinne ist gekennzeichnet durch das Ziel, die Zeitspanne zwischen einem Ereignis und der Berichterstattung darüber möglichst stark zu verkürzen. Dies äußert sich auch darin, dass eine häufigere Erscheinungsweise in der Regel mit einer Erhöhung der Aktualität einhergeht. So waren die ersten aktuellen Zeitungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts – die in Straßburg erscheinende Relation und der Wolfenbütteler Aviso – Wochenzeitungen. Das ab 1620 in Frankfurt herausgegebene Diarium Hebdomadale dagegen erschien bereits zweimal wöchentlich. 1650 kam es zur Gründung der ersten Tageszeitung, den Einkommenden Zeitungen aus Leipzig.

In der Gegenwart existieren Medien mit unterschiedlichstem Erscheinungsrhythmus nebeneinander. Daraus ergibt sich, dass Aktualität für verschiedene Mediengattungen eine unterschiedliche Bedeutung hat. Für Tageszeitungen äußert sie sich als Tagesaktualität, also die Berichterstattung über Ereignisse, die längstens 24 Stunden zurückliegen. Wochenzeitungen und Zeitschriften arbeiten mit längerfristigen Zeitrahmen. Rundfunk und Online-Medien dagegen erreichen näherungsweise Gleichzeitigkeit zwischen Ereignis und Berichterstattung. Dies gipfelt in der Live-→ Reportage.

Neben dieser, rein auf den zeitlichen Aspekt bezogenen Verwendung des Begriffes, kennt der Journalismus auch das Konzept der latenten Aktualität. Es bezeichnet Ereignisse und Entwicklungen, die zwar für die Gegenwart der Gesellschaft und damit auch den Journalismus bedeutsam sind, denen aber nicht ohne weiteres Tagesaktualität zugewiesen werden kann – etwa, weil es an einem konkreten Ereignis fehlt, das Anlass für die Berichterstattung sein könnte.

Wie grundlegend das Aktualitätskonzept für den Journalismus ist, zeigt sich unter anderem darin, dass verschiedene → systemtheoretisch geprägte Beschreibungen des Journalismus den binären Code aktuell/nicht-aktuell nutzen, um journalistische Kommunikation von allen anderen gesellschaftlichen Kommunikationsformen abzugrenzen. Eine Folge des Zwangs zur Aktualität ist, dass journalistische Produkte rasch ihren Informationswert verlieren, wenn sie veralten.

(2) Als journalistisches Qualitätsmerkmal kann Aktualität ebenfalls unter dem Aspekt der möglichst schnellen Verbreitung von → Nachrichten betrachtet werden. Journalismus ist demnach umso besser, je kürzer die Zeit zwischen einem Ereignis und dem Bericht darüber ist. Aktualität in diesem Sinne kann in Konflikt mit anderen Qualitätsmerkmalen, vor allem der → Richtigkeit geraten: Wenn die Richtigkeit von Nachrichten aufgrund des Zwangs zur Aktualität weniger genau geprüft werden kann, als dies möglich wäre, wenn mehr Zeit zur Verfügung stünde, dann entsteht ein Zielkonflikt. Neuere wissenschaftliche Ansätze nehmen bei der Beschreibung von Aktualität allerdings zusätzlich in den Fokus, wie gut und auf welche Weise es einer → Redaktion gelingt, latent aktuelle Entwicklungen zum Thema ihrer Berichterstattung zu machen, also zu aktualisieren.

Literatur:

Hagen, Lutz M.: Informationsqualität von Nachrichten. Meßmethoden und ihre Anwendung auf die Dienste von Nachrichtenagenturen. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1995

Handstein, Holger: Qualität im lokalen Zeitungsjournalismus. Theoretischer Entwurf und empirische Fallstudie. München [AVM] 2010

La Roche, Walther von: Einführung in den praktischen Journalismus. Mit genauer Beschreibung aller Ausbildungswege Deutschland • Österreich • Schweiz. 18. Auflage. Berlin [Econ] 2008

McQuail, Denis: Media Performance. Mass Communication and the Public Interest. London [Sage] 1992

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*1976, Dr., hat an der Technischen Universität Dortmund zum Thema Qualität im Journalismus promoviert. Er arbeitet als Kommunikationsberater in Köln. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Qualität im Journalismus, Verhältnis von Journalismus und PR. Kontakt: post (at) handundstein.de Holger Handstein hat einen Einführungsbeitrag zum Thema → Qualität im Journalismus geschrieben.