Kommunikator

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Wortherkunft: von lat. communicare = mitteilen, sich besprechen.

Der Begriff Kommunikator bezeichnet die Rolle des Aussageproduzenten in der Kommunikation; sein Pendant ist der Rezipient. In Anwesenheit anderer ist gewöhnlich jeder zugleich Kommunikator und → Rezipient, auch wenn er schweigt; denn Anwesende nehmen sich gegenseitig wahr und deuten die Aktionen und Reaktionen der anderen.

Bei medienvermittelter Kommunikation sind die Rollen dagegen zumeist festgelegt und die Kommunikation verläuft gewöhnlich monologisch, was ein zeitversetztes Feedback nicht ausschließt. Die sogenannten → sozialen Medien ermöglichen dagegen laufend Rollenwechsel und sogar simultanen Rollentausch (z. B. bei Videokonferenzen), doch anders als bei Face-to-face-Gesprächen können sich die Aktanten gegenseitig weniger kontrollieren oder bleiben sogar füreinander anonym. Deshalb und mangels institutioneller Regeln und Garantien wachsen auch die Möglichkeiten, einander zu täuschen und → ‚Fakes‘ zu verbreiten.

Berufskommunikatoren nehmen ihre Rezipienten in der Regel gar nicht oder nur als Kollektiv wahr (z. B. bei Veranstaltungen) und sie sind gewöhnlich für die meisten von ihnen nur schwer erreichbar. Laut Ronneberger entwickeln Partner intermedialer Kontakte deshalb imaginäre personale Beziehungen. Er unterscheidet vier Typen medialer Kommunikatoren: den beobachtbaren Akteur, der die Illusion persönlicher Begegnung provozieren kann, das nicht sichtbare Produktionskollektiv, das z. B. durch temporale Zuverlässigkeit (Periodizität) Vertrauen schafft, die ‚literarische Figur‘, die persönliche Identifikationsprozesse erlaubt, und den ‚Helden‘, der diverse psychische Projektionen ermöglicht (Ronneberger 1971).

Berufskommunikatoren findet man in der → Öffentlichkeitsarbeit, in der Werbung, im Entertainment und vor allem im Journalismus. Ihre Tätigkeiten lassen sich nach verschiedenen Schwerpunkten unterscheiden wie Konzeption, Organisation, Recherche, → Redaktion, Moderation, Produktion und Distribution. Da sie laufend darüber mitentscheiden müssen, was publiziert wird (Agenda Building) und aus welcher Perspektive, fungieren sie bei der Herstellung von → Öffentlichkeit als ‚Torhüter‘ (Gatekeeper).

Journalisten (um die es hier exemplarisch gehen soll) werden dabei oft durch verfügbare oder aktive → Quellen beeinflusst (z. B. durch Nachrichtenagenturen oder Pressestellen) sowie durch organisationsinterne Programme und berufsspezifische Auswahlkriterien, besonders durch sogenannte → Nachrichtenfaktoren, aus denen sie auf den Aufmerksamkeitswert einer Mitteilung schließen. Außerdem orientieren sie sich ebenso wie andere Kommunikatoren an unterstellbaren Erwartungen ihrer Adressaten, die sie z. B. an Auflagenentwicklungen und Einschaltquoten festmachen.

Ihre Arbeit und Funktion wird u. a. in Nachrichtentheorien reflektiert, nämlich in der → Gatekeeper-Forschung (Wer entscheidet was?), der News-Value-Forschung (Nach welchen Kriterien, Regeln und Programmen wird worüber entschieden?) und der News-Bias-Forschung (Welchen Motive und Ziele leiten die Entscheidungen?). Dafür eignen sich Forschungsmethoden wie Befragungen (z. B. Journalisten-Enquêtes) oder Interaktions- und Organisationsanalysen.

Literatur:

Hooffacker, Gabriele: Online-Journalismus. Texten und Konzipieren für das Internet: Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. 5. Auflage. Wiesbaden [Springer VS] 2020.

Hooffacker, Gabriele; Wolfgang Kenntemich; Uwe Kulisch: Die neue Öffentlichkeit. Wie Bots, Bürger und Big Data den Journalismus verändern. Wiesbaden [Springer VS] 2018.

Meier, Klaus: Journalistik. 4. Auflage. Konstanz/München [UVK] 2018.

Merten, Klaus: Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Bd.1. Münster [LIT] 2000.

Primbs, Stefan: Social Media für Journalisten. Wiesbaden [Springer VS] 2015.

Ronneberger, Franz: Sozialisation durch Massenkommunikation. In: ders. (Hrsg.): Sozialisation durch Massenkommunikation. Stuttgart [Enke] 1971, S. 32-101.

Röttger, Ulrike; Jana Kobusch; Joachim Preusse (Hrsg.): Grundlagen der Public Relations. Eine kommunikationswissenschaft­liche Einführung. 3. Auflage. Wiesbaden [Springer VS] 2018.

Tellis, Gerard J.; Tim Ambler (Hrsg.): Handbook of Advertising. Los Angeles [Sage] 2007.

Wahl-Jorgensen, Karin; Thomas Hanitzsch (Hrsg.): The Handbook of Journalism Studies. 2. Auflage. New York/London [Routledge] 2020.

Weischenberg, Siegfried: Journalistik. Theorie und Praxis aktueller Medienkommunikation. Bd. 2. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1995.

Westerbarkey, Joachim: Journalismus und Öffentlichkeit. In: Publizistik, 40. Jg., 1995, S.152-162.

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Joachim Westerbarkey
*1943, Prof. Dr., war bis 2009 Hochschullehrer an der Westfälischen Wilhelms-Uni­versität Münster. Er lehrte in Münster, Dortmund und Düsseldorf Kommunikationswissenschaft. Arbeitsschwerpunkte: Kommunikations- und Medientheorien, Public Relations, Diskursanalyse, Filmanalyse. Kontakt: jom.westerbarkey (at) web.de