Verständlichkeit

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Wortherkunft: Substantivierung des Adjektivs ‘verständlich’; abstammend vom im achten Jahrhundert gebrauchten althochdeutschen Wort ‘firstantan’ = wahrnehmen, erkennen

Der Begriff bezeichnet die Eigenschaft eines journalistischen Beitrages, die Aufnahme von Informationen und deren Einordnung durch Rezipienten zu ermöglichen. Eine möglichst hohe Verständlichkeit gilt als zentrales Instrument zur Sicherung des Erfolges journalistischer Kommunikation, denn Journalismus ist darauf angewiesen, ein möglichst breites Publikum zu erreichen, um seiner Aufgabe gerecht zu werden, die Öffentlichkeit über alle aktuellen und für sie relevanten Sachverhalte zu informieren.

Die ersten Versuche, systematisch die Verständlichkeit von Texten zu erforschen und zu verbessern, fanden bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und Russland statt. In den folgenden Jahrzehnten wurden vor allem im englischen Sprachraum große Anstrengungen unternommen, um die ‘Readability’ (Lesbarkeit) von Texten statistisch erfassbar zu machen. Das bekannteste Ergebnis dieser Bemühungen ist die 1948 von Rudolf Flesch veröffentlichte ‘Reading Ease’-Formel. Sie misst die Lesbarkeit von englischsprachigen Texten anhand der durchschnittlichen Satzlänge und der durchschnittlichen Wortlänge in Silben. Die Formel wurde in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt und für andere Sprachen adaptiert. Zudem entwickelten Forscher neue, ausgefeiltere Lesbarkeitsformeln, die zum Teil auch speziell für die Auswertung durch Computer konzipiert wurden. Sie alle bezogen sich aber stets nur auf die Lesbarkeit, also die sprachlich-stilistische Ebene von Texten, die lediglich einen Teilaspekt der Verständlichkeit darstellt.

Einen umfassenderen Ansatz wählten die drei Psychologen Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch, als sie in den Jahren 1969 bis 1974 ihr als Hamburger Verständlichkeitskonzept bekannt gewordenes Modell der Textverständlichkeit entwickelten. In diesem Modell werden vier Merkmale der Verständlichkeit unterschieden: ‘Einfachheit’, ‘Gliederung-Ordnung’, ‘Kürze-Prägnanz’ und ‘Anregende Zusätze’.

Das Merkmal Einfachheit bezieht sich auf Wortwahl und Satzbau: Mit geläufigen und anschaulichen Wörtern sollen möglichst kurze und einfache Sätze gebildet werden. Schwierige Wörter sind zu erklären.

Das Merkmal Gliederung-Ordnung ist zum einen auf die innere Ordnung eines Textes bezogen. Das heißt: Sätze sollen sich aufeinander beziehen, die Informationen sollen in einer sinnvollen Reihenfolge stehen. Zum anderen betrifft das Merkmal die äußere Gliederung eines Textes. Demnach sollte deutlich werden, wenn Teile eines Textes zusammengehören, etwa durch Zwischenüberschriften. Zudem sollte ein Text durch Vor- und Zwischenbemerkungen gegliedert sein; Wichtiges kann von Unwichtigem durch Hervorhebungen oder Zusammenfassungen unterschieden werden. Je höher die beiden Merkmale Einfachheit und Gliederung-Ordnung ausgeprägt sind, desto verständlicher ist ein Text.

Dagegen gilt es bei den Merkmalen Kürze-Prägnanz und anregende Zusätze dem Modell zufolge, ein Mittelmaß zu finden. Eine extreme Ausprägung des Merkmals Kürze-Prägnanz ist ungünstig, weil eine sehr knappe Ausdrucksweise die Verständlichkeit ebenso vermindert wie eine sehr weitschweifige Ausdrucksweise. Weitschweifige Texte zeichnen sich zum Beispiel aus durch die Darstellung unnötiger Einzelheiten, Abschweifen vom Thema, Wiederholungen oder Füllwörter.

Unter ‘Anregende Zusätze’ fassen Langer und seine Kollegen Mittel, einen Text interessant zu gestalten. Dazu gehören etwa wörtliche Rede, rhetorische Fragen oder witzige Formulierungen. Anregende Zusätze verbessern vor allem in gut gegliederten Texten die Verständlichkeit. Ist ein Text schlecht gegliedert, bewirken sie das Gegenteil. Zu viele anregende Zusätze stehen zudem im Widerspruch zur Kürze.

Literatur:

Flesch, Rudolph: A new readability yardstick. In: Journal of Applied Psychology, 32(3), 1948, S. 221-233

Kurz, Josef; Daniel Müller; Joachim Pötschke, Horst Pöttker; Martin Gehr: Stilistik für Journalisten. 2. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2010

Langer, Inghard; Friedemann Schulz von Thun; Reinhard Tausch: Sich verständlich ausdrücken. 9. Auflage. München [Ernst Reinhardt] 2011

Schneider, Wolf: Deutsch für Profis. Wege zu gutem Stil. München [Goldmann] 1999

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Holger Handstein
*1976, Dr., hat an der Technischen Universität Dortmund zum Thema Qualität im Journalismus promoviert. Er arbeitet als Kommunikationsberater in Köln. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Qualität im Journalismus, Verhältnis von Journalismus und PR. Kontakt: post (at) handundstein.de Holger Handstein hat einen Einführungsbeitrag zum Thema → Qualität im Journalismus geschrieben.