
Unter ‚Kamingespräch‘ versteht man eine zwanglose Unterhaltung von Medienvertretern mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder ein Gespräch von PR-Vertretern mit Journalistinnen und → Journalisten. Meist finden solche Begegnungen zu zweit oder in kleiner Runde statt, man inszeniert sie aber auch als Veranstaltung vor → Publikum. Auch informelle Fachgespräche zwischen Experten ohne Beisein von Medien werden als Kamingespräche bezeichnet, gelegentlich durchaus auch der Austausch von Journalisten und Journalistinnen untereinander. Oft dienen die Gespräche vor allem der Vermittlung von Hintergrundwissen oder dazu, einander kennenzulernen. Gleichwohl sind sie nicht einfach nur freundliche Konversation, sondern werden von den Interessen und Absichten ihrer Teilnehmer bestimmt.
Kennzeichen von Kamingesprächen ist die scheinbar häuslich-entspannte, vertraulich anmutende Atmosphäre. Die Initiative zu solchen Begegnungen kann von Personen des öffentlichen Lebens, zum Beispiel Politikerinnen und Politikern, von Pressesprecherinnen und -sprechern, aber auch von den Medien selbst ausgehen.
Auf Initiative der Politik gingen die Radioansprachen von US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 30er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs zurück, die er nutzte, um dem Medienpublikum seine Einschätzung der Weltlage zu erläutern und für seine Regierung zu werben. Ein CBS-Manager erfand den Ausdruck ‚fireside chats‘ für diese abendlichen, ungezwungen und persönlich wirkenden Mitteilungen. Daraus leitet sich der deutsche Begriff ‚Kamingespräche‘ ab. Heute bitten Politikerinnen und Politiker gern ausgewählte Journalisten zur Plauderei vor laufender Kamera. Nicht nur autokratische Machthaber in Ost und West nutzen das Format gern zur Selbstdarstellung und Imagepflege.
Wenn PR-Vertreter Journalistinnen und Journalisten zum Abendessen einladen, wird der interessengeleitete Charakter von Kamingesprächen gleichfalls deutlich. Sie sind häufig ein Instrument, Medien zu vereinnahmen und mit ihrer Hilfe das Ansehen von Verbänden, Parteien oder Unternehmen zu verbessern. Journalistinnen und Journalisten können sich ihnen oft nicht ohne Weiteres entziehen, da sie bei ihren → Recherchen auf Insiderwissen angewiesen sind.
Wenn sie selbst Gastgeber von Kamingesprächen sind, möchten Journalisten durch eine vertrauensvolle Nähe und wohlige Atmosphäre ihre Gesprächspartner ‚öffnen‘, um ihnen leichter Aussagen zu entlocken. Noch mehr als im strenger geführten → Interview setzen sie sich damit freilich dem Grunddilemma des Journalismus aus – nämlich Nähe herzustellen, um Informationen zu erhalten, und gleichzeitig Distanz zu wahren, um sich nicht mit fremden Interessen gemein zu machen. Ein Beispiel dafür ist das Format phoenix persönlich des Nachrichtensenders Phoenix. Die halbstündigen Gespräche mit Politikern, Wissenschaftlerinnen, Sportlern, Aktivistinnen oder Künstlern – meist im abendlich abgedunkelten Studio, aber auch an Flusspromenaden, vor historischer Kulisse oder in Cafés geführt – sind zwar durchaus informativ; selten aber stellen sie Aussagen oder Handlungen der geladenen Gäste kritisch infrage.