Roboterjournalismus

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Unter Roboterjournalismus versteht man von Computerprogrammen automatisch generierte journalistische Texte. Grundlage bilden strukturierte und in der Regel aktuelle Daten sowie Textbausteine, die vorab erstellt worden sind. Ein → Algorithmus bildet das zentrale Element der Software. Im anglo-amerikanischen Raum ist auch von ,automated journalism‘, ,algorithmic journalism‘ oder ,machine-written journalism‘ die Rede (vgl. Reichelt 2017: 16f.). Dadurch wird der irreführende Begriff ,Roboter‘ vermieden, denn statt eines Industrieroboters handelt es sich beim ,journalistischen Roboter‘ um ein Computerprogramm.

Wie beim → Datenjournalismus oder bei der Recherche mit großen Datenmengen (Big Data) wird der → Journalist auch beim Roboterjournalismus verstärkt vom Computer unterstützt bzw. teilweise ersetzt. Deshalb wird der Roboterjournalismus auch dem Feld des ,computational journalism‘ zugeordnet. Auf Menschen kann also auch beim Roboterjournalismus nicht gänzlich verzichtet werden, da dieser vorab das Konzept erstellen, die Textbausteine fertigen und die Anwendung programmieren muss. „Generell kann die Maschine nur so viel leisten, wie man ihr beigebracht hat – und nicht mehr“, erklärt Journalistik-Professor Thomas Hestermann (Tusch 2017).

Häufige Anwendungsfelder für Roboterjournalismus sind Sport-, Wetter- oder Börsenberichte, weil hier strukturierte Daten vorliegen und stets auf dieselben Textbausteine zurückgegriffen werden kann. So ist es möglich, bis hin zu tiefstklassigen Fußball-Ligen automatisiert Berichte erstellen zu lassen, wenn die Daten (wie zum Beispiel Torschützen, Torvorlagen, Gelbe und Rote Karten, Mannschaftsaufstellungen und Auswechslungen) vorliegen. Je mehr Daten vorhanden sind, um so individueller kann der Spielbericht ausfallen. Wenn etwa in die Datenbank eingegeben wird, ob das Tor durch einen Kopfball, Freistoß oder Fallrückzieher entstanden ist, kann der Algorithmus eine vorbereitete Textpassage dafür verwenden. Auch ist es möglich, Bilder zum Bericht zu erstellen, wenn dieses zum Beispiel in einer App für das betreffende Spiel zur Verfügung gestellt wird. In den USA wurde dies im Baseball bereits im Jahr 2011 praktiziert (Langer 2012: 34).

In ersten Ansätzen wird versucht, das Programm neben den strukturierten Daten zum Thema nach weiteren Informationen im Internet suchen zu lassen, um diese in die Texte einzubauen. Dies könnte bei einem Fußballspiel der Kommentar des Trainers zum Spiel sein, den er auf einem sozialen Netzwerk abgegeben hat. Zum derzeitigen Stand (Februar 2018) ist dieses Vorgehen allerdings extrem fehleranfällig.

Roboterjournalismus widerspricht zum Teil den Grundsätzen des → Multimedialen Storytellings, nach denen jeweils das geeignetste Ausgabemedium für den jeweiligen → Inhalt gewählt wird: Bei Datensätzen wäre dies statt eines Textes ein Schaubild bzw. eine Infografik. Daten in Textform zu publizieren böte demnach nur dann einen Mehrwert, wenn diese Daten eingeordnet oder kommentiert werden, was beim Roboterjournalismus bislang nicht der Fall ist. Lediglich für Audio-Formate (wie Amazons Alexa) bietet sich die Ausgabe von Daten in automatisch vorgelesener Textform an.

Laut Reichelt wird die Textgenerierung durch Algorithmen hauptsächlich auch von nicht-journalistischen Unternehmen wahrgenommen. Als Beispiele nennt er automatisierte interne Geschäftsberichte, Patientenberichte in Krankenhäusern, Produkttexte, Gefahrenvorhersagen oder Texte im E-Commerce (vgl. Reichelt 2017: 31).

Literatur:

Langer, Ulrike: Roboter als Reporter. In: medium. magazin für journalisten, 9, 2012, S. 34. http://www.mediummagazin.de/archiv/2012-2/ausgabe-092012/roboter-als-reporter/

Reichelt, Patrick: Einführung in den Roboterjournalismus. Bedrohung oder Chance? Baden-Baden [Tectum] 2017.

Tusch, Robert: Medienforscher über Roboterjournalismus: „In der Massenproduktion schneiden Maschinen besser ab als Menschen.“ In: meedia.de, 20.03.2017. http://meedia.de/2017/03/20/medienforscher-ueber-roboter-journalismus-in-der-massenproduktion-schneiden-maschinen-besser-ab-als-menschen/

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Markus Kaiser
*1978, Prof., ist seit April 2016 Professor für Praktischen Journalismus an der Technischen Hochschule Nürnberg, Journalist, Berater und Medienvernetzer. Er ist unter anderem Autor des Buchs Recherchieren aus dem Verlag Springer VS (Wiesbaden 2015) und Herausgeber von Innovation in den Medien aus dem Verlag Dr. Gabriele Hooffacker (München 2015). Arbeitsschwerpunkte: Recherche, digitaler Journalismus und Medieninnovationen. Kontakt: markus.kaiser (at) th-nuernberg.de