Die Naturmetapher ,Sommerloch‘ verweist auf ein natürlich wiederkehrendes Phänomen: die Zeit des Jahres, in der weniger als sonst zu passieren scheint. Es ist, als hätten sich berichtenswerte Ereignisse im Juli und im August in eine kühle Höhle zurückgezogen. Das stimmt allerdings nur aus der Perspektive von Redaktionen, die dem Prinzip des Terminjournalismus anhängen. In der Tat ist während der Sommerpause aus Parlamenten oder Ausschüssen, aus Fußballstadien, Schulen und Universitäten, Behörden, Galerien oder Theatern wenig oder nichts zu berichten.
Doch das eröffnet Journalisten die Chance, sich von Routinen zu lösen und eigene Themen in Angriff zu nehmen, die sie sonst unter dem Diktat der Termine vernachlässigen. Auf der anderen Seite bietet das Sommerloch auch PR-Vertretern große Möglichkeiten: Sie haben es jetzt ebenfalls leichter, ihre Themen in die Medien z. B. mit einer Pressekonferenz zu lancieren.
Dass das Sommerloch im Journalismus nicht nur gefühlt existiert, sondern durch eine Studie nachgewiesen werden kann, zeigte Christian Pohl 2006 in seiner Diplomarbeit Gibt es das Sommerloch?. Er stellte für den Bereich des Lokaljournalismus in Tageszeitungen fest, dass die Medien in dieser Zeit „von gewohnten Berichterstattungsmustern abweichen“ (Pohl 2006: 167) und eine größere Eigeninitiative bei der Themenfindung pflegen (vgl. ebd.), die „nicht ereignisbezogen“ ist (ebd.: 168). „Im Sommer erscheinen häufiger Beiträge, für die Journalisten selbst Aktualität herstellen. […] Außerdem verändern sie ihre Darstellungstechnik und verwenden vermehrt interpretierende Genres“ (ebd.: 167). Dabei nehme die Zahl der Hintergrundberichte zu sowie die Menge an Servicebeiträgen, die einen „hohen Nutzwert bieten“ (ebd.: 168). Zu den Kehrseiten des Sommerlochs gehöre der Umstand, dass Artikel zum Aufmacher werden, „die nur einen geringen → Nachrichtenwert“ (ebd.: 168) und zum Teil mangelnde → Recherche-Sorgfalt aufweisen, indem sich Journalisten und Redakteure oft mit nur einer → Quelle zufrieden geben (vgl. ebd: 168; 170). Dennoch könne man „nicht generell von einer Steigerung oder einem Absinken der Qualität der Berichterstattung im Sommerloch sprechen“ (ebd.: 169).
Inner- und außerhalb der Redaktionen heißt das Sommerloch auch Saure-Gurken-Zeit. Diese wesentlich ältere Metapher kam Ende des 18. Jahrhunderts in Berlin auf, hat mit sauren Gurken allerdings nichts zu tun. Sie ist „dem Rotwelschen entnommen, lautete ursprünglich ,zóress- und jókresszeit’ (von hebr. zarót und jakrút, jidd. zoro und joker) und bezeichnet die Zeit der Leiden und der Teuerung. ,Bei ihm ist Sauregurkenzeit’ bedeutet: Seine Geschäfte laufen z.Z. schlecht“ (Nail 1983: 105, zit. n. Röhrich 1991: 599). Da das Bewusstsein um die Herkunft und Bedeutung des Ausdrucks verloren ging, „bildete sich die volksetymologische Deutung heraus, der Ausdruck bezöge sich auf die geschäftsarmen Sommermonate, in denen die Gurken reifen und eingelegt werden“ (Röhrich 1991: 599; vgl. Kluge 1912: 115f.; fälschlich interpretiert etwa in Wahrig/Krämer/Zimmermann 1983: 501).
Literatur:
Kluge, Friedrich: Wortforschung und Wortgeschichte. Aufsätze zum deutschen Sprachschatz. Leipzig [Quelle & Meyer] 1912
Nail, Norbert: »Zores in der Sauregurkenzeit«. In: Der Sprachdienst, 27, 1983, S. 105
Pohl, Christian: Gibt es das Sommerloch? Inhaltsanalyse der Lokalberichterstattung dreier Tageszeitungen im Hinblick auf ihre mögliche Veränderung während des Sommers. Diplomarbeit. Dortmund [Universität Dortmund] 2006
Röhrich, Lutz: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 1. Freiburg [Herder] 1991
Wahrig, Gerhard; Hildegard Krämer; Harald Zimmermann (Hrsg.): Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Fünfter Band P-STD. Wiesbaden/Stuttgart [F.A. Brockhaus/DVA] 1983