Arbeitstechniken

Eine Einführung von Gabriele Hooffacker

Wortherkunft: griech. technikós, von griech. téchne = Handwerk, Kunst, Kunstfertigkeit

Journalistische Arbeitstechniken umfassen Kenntnisse und Fertigkeiten zur Herstellung professioneller Medienprodukte, die die beruflichen Qualitätsstandards im Journalismus erfüllen und erlernbaren Regeln folgen. Sie beziehen alle Phasen des journalistischen Schaffensprozesses ein: von der Themenfindung und Themenentwicklung über die → Recherche und die medienspezifische Gestaltung und Aufbereitung in → journalistische Genres bis hin zum redaktionellen Management.

Die Ausdifferenzierung journalistischer Arbeitstechniken ist zentral für die Professionalisierung im Journalismus. Im frühen Zeitungsbuch Zeitungs Lust und Nutz beschrieb Caspar Stieler 1695 erstmals Anforderungen an die Arbeitsweise der Journalisten. Sie reichen von Ratschlägen zu Recherche und sachlicher Richtigkeit bis hin zur Forderung nach „fleissigen Correctores“, die Fehler der Journalisten entdecken und korrigieren. Eine Verbesserung und Professionalisierung der journalistischen Arbeitsweise hatte Karl Bücher im Sinn, als er 1916 in Leipzig das Institut für Zeitungskunde gründete.

Mit der Abkehr von der Vorstellung, Journalismus sei vor allem ein Begabungsberuf, wurden Anleitungen zum praktischen Journalismus erforderlich. Nach amerikanischem Vorbild erschienen in der Bundesrepublik seit den 1970-er Jahren die ersten Journalismus-Lehrbücher, die das journalistische Handwerk in den Mittelpunkt stellten. Beispielhaft sei hier die Einführung in den praktischen Journalismus von Walther von La Roche 1975 genannt, dem Ausgangspunkt der von La Roche gegründeten Buchreihe Journalistische Praxis. Bald kamen weitere Lehrbücher und Reihen hinzu. Bereits früh entstand in der DDR eine differenzierte Genre-Theorie.

Walther von La Roche beschrieb den Journalismus nach den grundlegenden Tätigkeiten Recherchieren – Formulieren – Präsentieren – Organisieren. Diese Darstellung ging in das Berufsbild des Journalisten des Deutschen Journalistenverbands ein. Zu den journalistischen Arbeitstechniken gehören demnach Themenfindung und -entwicklung, Kreativitätstechniken und der Umgang mit Schreibblockaden, methodisches Recherchieren, Beherrschen der journalistischen Genres und der Trennungsregeln (Trennung von Information und Meinung sowie Trennung von redaktionellem und werblichem Inhalt) sowie das mediengerechte Präsentieren. Seit dem Jahr 2000 tritt neben die Regeln redaktionellen Arbeitens verstärkt die Ausbildung in organisatorischen, auch ökonomischen Fertigkeiten unter dem Stichwort ‘Entrepeneurship’ im Journalismus.

Journalistik und Publizistik-Wissenschaft haben sich weniger mit den Arbeitstechniken des praktischen Journalismus beschäftigt. Das Thema ist bislang vorwiegend eine Domäne praxisorientierter Ratgeberliteratur. Diese wiederum ist vor allem zu einzelnen Arbeitstechniken wie dem kreativen Arbeitsprozess, dem Recherchieren oder dem medienspezifischen Aufbereiten vorhanden: Oft werden dort die Genres, Techniken und Tools behandelt, also in Lehrmaterialien zum Radio-Journalismus, zum Video-Journalismus oder zu Social Media.

Ebenfalls bei La Roche gab es frühzeitig ein Kapitel ‘Hilfsmittel’, in dem vom eigenen Handarchiv bis zum Smartphone grundlegende technische Hilfsmittel genannt werden. Mit den digitalen Tools und Plattformen haben sich eigene Online-Portale entwickelt, die neue Software, Apps und Plattformen vorstellen, beispielsweise rund um das Thema Mobile Journalism. Die amerikanische Society of Professional Journalists stellt auf www.journaliststoolbox.org eine Übersicht bereit.

Literatur:

Briggs, Mark: Journalism 2.0. How to Survive and Thrive. A digital literacy guide for the information age. http://www.kcnn.org/images/uploads/Journalism_20.pdf. 2007

Fischer, Heinz-Dietrich; Horst Minte (Hrsg.): Karl Bücher. Auswahl der publizistikwissenschaftlichen Schriften. Bochum [Brockmeyer] 1981

Hagelweide, Gert (Hrsg.): Kaspar Stieler: Zeitungs Lust und Nutz. Vollständiger Neudruck der Originalausgabe von 1695. Bremen [Schünemann] 1969

La Roche, Walther von; Gabriele Hooffacker; Klaus Meier: Einführung in den praktischen Journalismus. Mit genauer Beschreibung aller Ausbildungswege Deutschland • Österreich • Schweiz. 19. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2013

Gabriele Hooffacker
*1959, Prof. Dr. phil., seit 2013 Professorin an der HTWK Leipzig. 1999 gründete sie die Journalistenakademie in München, die sie bis 2013 gemeinsam mit Peter Lokk leitete. Sie gibt die Lehrbuchreihe Journalistische Praxis bei Springer VS heraus, die von Walther von La Roche gegründet wurde. Arbeitsschwerpunkte: Online und Crossmedia, Medienwandel, journalistische Darstellungsformen. Kontakt: gabriele.hooffacker (at) htwk-leipzig.de Zu journalistischen Arbeitstechniken hat Gabriele Hooffacker einen → Einführungsbeitrag geschrieben.

Beiträge aus der Kategorie

hängen

0
Definition: 1.) eine aktive Handlung im Bereich journalistischer Arbeitstechniken zur Begutachtung journalistischer Produkte, überwiegend in Tageszeitungsredaktionen. 2.) eine problematische Situation im Produktionsprozess journalistischer Werke,...

Blattkritik

0
Den Teil der Redaktionskonferenz, der der Kritik an der letzten Zeitungs- oder Heft­ausgabe gewidmet ist, nennen Journalisten Blattkritik. Oft übernimmt bei jeder Zusammenkunft ein...

kalt schreiben

0
Oft verläuft eine journalistische → Recherche nicht wie geplant, ein → Interview kommt nicht oder käme nur unter riesigem Aufwand zustande, für den Besuch...

Überschrift

0
Als Überschrift bezeichnet man im Journalismus die Schrift oberhalb eines Artikels bzw. die leitende Schriftzeile, engl. headline (= die Zeile am 'Kopf' des Beitrags)....