Journalistikstudium

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Wortherkunft: ‚Journalistik‘, von frz. ‚journal‘, Tagebuch, Zeitung, Wissenschaft des Journalismus; ‚Studium‘ von lat. ‚studēre‘, betreiben, streben, trachten, sich ernstlich um etwas bemühen, sich wissenschaftlich beschäftigen.

Definition:
Mit ‚Journalistikstudium‘ wird ein Studium des Fachgebiets Journalismus mit besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen Perspektive bezeichnet. Es soll auf den Beruf der → Journalistin bzw. des Journalisten vorbereiten und beinhaltet deshalb auch die Vermittlung journalistischer Arbeitsweisen. Der Begriff ‚Journalismusstudium‘ wird oft synonym verwendet.

Geschichte:
Der Begriff ‚Journalistik‘ tauchte erstmals Ende des 19. Jahrhunderts auf. Journalistik studieren konnte man im deutschsprachigen Raum ab 1911 in Zürich, allerdings ohne berufspraktische Inhalte. Thematisiert wurde Journalismus auch in Fächern wie Publizistik oder Zeitungswissenschaft. Eine hochschulgebundene Journalismusausbildung entstand aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vorherrschend war lange ein Anlernsystem über berufspraktische → Volontariate (vgl. Nowak 2007: 98ff.).

1951 wurde in der DDR der Studiengang ‚Journalistik‘ an der Universität Leipzig gegründet. Nach sowjetischem Vorbild wurden dort zentral Journalistinnen und Journalisten ausgebildet. In der Bundesrepublik gab es in den 1970er Jahren im Zuge der Bildungsreform die ersten Journalistikstudiengänge an Universitäten in Dortmund (Hauptfach), München (in Zusammenarbeit mit der dortigen Journalistenschule) und Stuttgart-Hohenheim (Aufbaustudiengang nach abgeschlossenem Erststudium).

Journalismus wurde als gesellschaftlich wichtige Aufgabe gesehen, die so anspruchsvoll ist, dass sie systematisch und wissenschaftlich fundiert erlernt werden sollte (Pätzold 1975). Ein Lernen im beruflichen Alltag, wie im Volontariat, oder weitgehend beschränkt auf das Handwerkliche, wie in → Journalistenschulen, hielten Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politik damals für nicht mehr ausreichend angesichts der hohen beruflichen Anforderungen. Der Berufszugang sollte zwar weiterhin frei sein, aber der Beruf zunehmend akademisiert und damit auch aufgewertet werden (Nowak 2007: 103ff.).

In den 1980er Jahren hatten sich neben Journalistik-Vollstudiengängen mit Journalistik als Hauptfach (München, Dortmund) Nebenstudiengänge (Bamberg, Gießen) und Aufbaustudiengänge (Hohenheim, Mainz) mit unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert (Nowak 2007).

Ende der 1990er Jahre begünstigten der Medienboom und der Ausbau der Fachhochschulen Neugründungen von Journalistikstudiengängen vor allem an Fachhochschulen. Anfang der 2000er Jahre führte die europaweite Umstellung auf das Bologna-System mit Bachelor- und Masterstudiengängen zu weiteren Gründungen, häufig mit Spezialisierungen auf → Ressorts, Medien oder berufliche Rollen. 2006 zählte eine Studie (Nowak 2007) 57 Studiengänge, die im Studiengangsnamen das Wort ‚Journalistik‘ oder ‚Journalismus‘ aufwiesen, davon 21 an Fachhochschulen.

Gegenwärtiger Zustand:
Im Jahr 2021 gibt es 49 Studiengänge, die ‚Journalistik‘ oder ‚Journalismus‘ im Studiengangsnamen aufweisen, davon 20 an Universitäten und 29 an Fachhochschulen, von diesen rund die Hälfte an privaten Fachhochschulen (Hochschulkompass 2021). Universitäten bieten etwa gleich viele Bachelor- wie Masterstudiengänge an, Fachhochschulen vor allem Bachelorstudiengänge.

Dabei gibt es recht viele Studiengänge, die nicht nur „Journalistik“ oder „Journalismus“ im Namen tragen. Häufig gibt es thematische Schwerpunkte wie → Wirtschaft oder → Wissenschaft oder mediale Spezialisierungen, z.B. auf Fernseh– oder Online-Journalismus. Insbesondere die kostenpflichtigen privaten Fachhochschulen haben populäre Spezialisierungen wie → Sport– oder Modejournalismus im Angebot, die viele Bewerber*innen erwarten lassen. Fachliche Kombinationen mit Medienmanagement, → PR oder Unternehmenskommunikation finden sich auch bei staatlichen Fachhochschulen relativ häufig. Das ist durchaus umstritten, weil Journalismus, Public Relations und Medienmanagement unterschiedliche Ziele verfolgen und zum Teil eben doch unterschiedlich arbeiten. Journalismus gilt als gesellschaftliche Aufgabe in der Demokratie, während PR und Medienmanagement vorrangig die zumeist ökonomischen Ziele ihrer jeweiligen Auftrag- und Arbeitgeber*innen unterstützen (vgl. Altmeppen et al. 2016; Lobigs 2018).

So heterogen wie die Hochschulen und Studiengangsnamen sind auch die vermittelten → Inhalte. Gemeinsam sind den meisten Journalistikstudiengängen Module, die journalistische Arbeitsweisen wie → Recherche und medienspezifische Produktion vermitteln. Auch → kommunikationswissenschaftliche Theorien und Methoden, → Mediensystem und -entwicklung gehören gewöhnlich zum Studium. Wissenschaftler fordern für Journalistikstudiengänge eine Integration von Theorie und Praxis (Blöbaum 2000: Nowak 2007). Damit ist eine Rückkopplung zwischen wissenschaftlichen Grundlagen und journalistischer Umsetzung bzw. journalistischem Umfeld gemeint. In den Bachelorstudiengängen sind relativ häufig Praxissemester integriert. Trotzdem erwarten Arbeitgeber*innen für Festanstellungen im Journalismus oft ein ein- bis zweijähriges Volontariat nach dem Bachelorabschluss.

Ein Blick in die Modulbeschreibungen, die jeder akkreditierte Studiengang in Deutschland haben muss, kann helfen, Studieninhalte zu identifizieren. Der Deutsche Journalistenverband, DJV, hat eine Checkliste für die Beurteilung von Journalistikstudiengängen herausgegeben (DJV 2019). Diese Checkliste soll dabei helfen, zwischen Studiengängen zu unterscheiden, die für den Beruf Journalist/Journalistin ausbilden und solchen, die andere Schwerpunkte im Medienbereich setzen.

Forschungsstand:
Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung ist das Journalistikstudium seit den 1970er Jahren immer wieder. 1975 plädierte Ulrich Pätzold erstmals wissenschaftlich fundiert für eine Journalistenausbildung an Universitäten. 1978 und 1987 veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft Tagungen zum Thema und gab jeweils einen Sammelband heraus (Hömberg 1978; Wilke 1987). 1990 veröffentlichte Siegfried Weischenberg ein Kompetenzraster für die → Journalistenausbildung. Etwa ein Jahrzehnt später legte Bernd Blöbaum (2000) ein Buch vor, das die Integration von Theorie und Praxis in der Journalistenausbildung thematisiert. Bernhard Pörksen reflektierte 2006 über eine konstruktivistische Didaktik der Journalistenausbildung. Eva Nowak (2007) entwickelte ein Jahr später ein Qualitäts- und Kompetenzmodell sowie eine journalistische Fachdidaktik. Michael Harnischmacher verglich 2010 US-amerikanische und deutsche Journalistenausbildung. Wolfgang Streitbörger machte 2014 die Grundbegriffe Theorie, Praxis und Techne zum Thema.

Hinzu kommen Sammelbände, die sich mit verschiedenen Aspekten der Journalistenausbildung auseinandersetzen, dabei auch immer wieder mit dem Journalistikstudium. Beatrice Dernbach und Thorsten Quandt thematisierten beispielsweise 2009 die Spezialisierung in der Journalistenausbildung, Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 2012 journalistische Fachdidaktik. Britta Gossel und Kathrin Konyen fragten 2018 nach der weiteren Entwicklung und widmeten einige Kapitel speziell der hochschulgebundenen Journalistenausbildung. Eva Nowak verglich die Akkreditierungssysteme für Journalistikstudiengänge in Europa (2019). International vergleichende Sammelbände veröffentlichten beispielsweise Christina Holtz-Bacha und Romy Fröhlich (2003) zu den USA und Europa, Georgios Terzis (2009) zur Journalistenausbildung in einer Reihe europäischer Länder und Robyn Goodman und Elainie Steyn (2017) zu verschiedenen Ländern weltweit.

Literatur:

Altmeppen, Klaus-Dieter; Regina Greck; Tanja Evers: Journalismus und Medien – organisationstheoretisch betrachtet. In: Meier, Klaus; Christoph Neuberger (Hrsg.): Journalismusforschung. Stand und Perspektiven. 2. Auflage. Baden-Baden [Nomos] 2016, S. 47-68.

Altmeppen, Klaus-Dieter; Walter Hömberg (Hrsg.): Journalistenausbildung für eine veränderte Medienwelt. Diagnosen, Institutionen, Projekte. Wiesbaden [Westdeutscher Verlag] 2002.

Blöbaum, Bernd: Zwischen Redaktion und Reflexion. Integration von Theorie und Praxis in der Journalistenausbildung. Münster [LIT-Verlag] 2000.

Dernbach, Beatrice; Wiebke Loosen (Hrsg.): Didaktik der Journalistik: Konzepte, Methoden und Beispiele aus der Journalistenausbildung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2012.

Dernbach, Beatrice; Thorsten Quandt (Hrsg.): Spezialisierung im Journalismus. Wiesbaden [VS Verlag] 2009.

DJV: Checkliste journalistische Ausbildung an Hochschulen. Deutscher Journalistenverband. Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten. https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Infos_PDFs/Flyer_Broschuren/DJV_INFO_Checklist_Hochschulen_2019.pdf [23.08.2021]

DWDS: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. https://www.dwds.de [23.08.21]

Fröhlich, Romy; Christina Holtz-Bacha (Hrsg.): Journalism Education in Europe and North America. An International Comparison. Creskill/NJ [Hampton Press] 2003.

Goodman, Robyn S.; Elainie Steyn (Hrsg.): Global Journalism Education in the 21st Century. Challenges & Innovations. Austin/TX [Knight Center for Journalism in the Americas] 2017.

Gossel, Britta M.; Kathrin Konyen (Hrsg.): Quo vadis Journalistenausbildung? Befunde und Konzepte für eine zeitgemäße Ausbildung. Wiesbaden [Springer Vieweg] 2018.

Harnischmacher, Michael: Journalistenausbildung im Umbruch. Zwischen Medienwandel und Hochschulreform. Deutschland und USA im Vergleich. Konstanz [UVK] 2010.

Hochschulkompass. Ein Angebot der Hochschulrektorenkonferenz. Hochschulrektorenkonferenz. https://www.hochschulkompass.de/ [23.08.2021]

Hömberg, Walter (Hrsg.): Journalistenausbildung. Modelle, Erfahrungen, Analysen. München [Ölschläger] 1978.

Lobigs, Frank: Wirtschaftliche Probleme des Journalismus im Internet. Verdrängungsängste und fehlende Erlösquellen. In: Nürnbergk, Christian; Christoph Neuberger (Hrsg.): Journalismus im Internet. Profession – Partizipation – Technisierung. 2. Auflage. Wiesbaden [Springer VS] 2018, S. 295-334.

Nowak, Eva (Hrsg.): Accreditation and assessment of journalism education in Europe. Quality evaluation and stakeholder influence. Baden-Baden [Nomos] 2019.

Nowak, Eva: Qualitätsmodell für die Journalistenausbildung. Kompetenzen, Ausbildungswege, Fachdidaktik. Dissertation. Dortmund [Eldorado] 2007. https://eldorado.tu-dortmund.de/ bitstream/2003/24721/2/Dissertation.pdf

Nowak, Eva: Spezialisierung in der Journalistenausbildung. Eine Analyse der Kompetenzbereiche in spezialisierten und nicht-spezialisierten Studiengängen. In: Dernbach, Beatrice; Thorsten Quandt (Hrsg.): Spezialisierung im Journalismus. Wiesbaden [VS-Verlag] 2009, S. 227-238.

Pätzold, Ulrich: Warum Ausbildung für Journalisten? Ein kommunikationspolitisches Problem der Publizistikwissenschaft. Bern/Frankfurt/M. [Lang] 1975.

Pörksen, Bernhard: Die Beobachtung des Beobachters. Praktische Theorie und innovative Didaktik. Konstanz [UVK] 2006.

Streitbörger, Wolfgang: Grundbegriffe für Journalistenausbildung. Theorie, Praxis und Techne als berufliche Techniken. Wiesbaden [Springer VS] 2014.

Terzis, Georgios (Hrsg.): European journalism education. Bristol [intellect] 2009.

Weischenberg, Siegfried: Journalismus & Kompetenz. Qualifizierung und Rekrutierung für Medienberufe. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1990.

Wilke, Jürgen (Hrsg.): Zwischenbilanz der Journalistenausbildung. München [Ölschläger] 1987.

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Eva Nowak
*1965, Prof. Dr., ist seit 2006 Professorin für Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. Sie studierte Journalistik an der Universität Dortmund, wo sie später die Hörfunk- und Fernsehausbildung mit aufbaute, arbeitete als freiberufliche Journalistin und war Ausbildungsleiterin an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. 2013 war Eva Nowak Visiting Academic Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Journalistenausbildung, Medienregulierung und die Zukunft des Journalismus. Kontakt: wak@jade-hs.de