Bildagentur

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Bildagenturen: Bilderlieferanten im Hintergrund

Magnum Photos ist eine der bekanntesten Bildagenturen
Quelle: Magnum Photos

Wortherkunft: Zusammengesetztes Wort aus Bild (synonym für Fotografie) und Agentur; Agentur ist seit der 1. Hälfte des 19. Jh. die Geschäftsstelle bzw. Vertretung eines Agenten (DWDS 2025); Agenten sind Personen, die im Auftrag anderer Personen Geschäfte abwickeln.

Definition

Bildagenturen sind ein wesentliches Element der Infrastruktur, die den Journalismus mit Fotografien versorgt (vlg. Weise 2016: 5). Der Begriff beschreibt „Wirtschaftsunternehmen, die kommerziell mit Fotos und deren Bildnutzungsrechten handeln“ (Müller-Heiden 2009: 15). Dazu gehören sowohl Ein-Personen-Unternehmen als auch global agierende Konzerne. Bildagenturen sind Händler, die zwischen den Bildangeboten von Fotograf:innen und journalistischen → Redaktionen mit ihrer Nachfrage nach Bildmaterial vermitteln (vgl. Wilke 2008: 37). Die Tätigkeitsbereiche einer Bildagentur umfassen insbesondere die Beschaffung von Bildmaterialien, die Erschließung der Fotografien, ihre Aufbewahrung und technische Bearbeitung, die Vermittlung von Bildern sowie das Eigenmarketing (vgl. Müller-Heiden 2009: 22). Den Kunden wird das Bildmaterial über ausführliche Datenbanken präsentiert. In Bildagenturen arbeiten Bildredakteur:innen und Bilddokumentar:innen (vgl. Bergmann 2006: 31).

Bildagenturen sind als Anbieter (vgl. Wilke 2008: 62) auf einem globalen Bildermarkt tätig, der als ein Angebotsmarkt beschrieben wird, da „weitaus mehr Bilder (…) im Angebot (sind), als je veröffentlicht werden können“ (Rauch 1993: 59). Neben den Bildagenturen, die auf dem Bildermarkt als Bildanbieter- und vermarkter auftreten, sind am Bildermarkt die Bildurheber (Fotograf:innen) und die Bildnutzer (z. B. journalistische Publikationen) beteiligt (vgl. Wilke 2008: 37). Kerngegenstand des Bildermarktes ist der Handel mit Nutzungsrechten an Bildern (vgl. Bauernschmitt 2022: 66), da das → Urheberrecht nicht veräußerlich ist. Fotograf:innen schließen i. d. R. Verträge mit Bildagenturen zur Zweitverwertung ihrer Fotografien sowie zur Einwerbung von Aufträgen ab. Bei Pressebildagenturen und den Bilderdiensten der Nachrichtenagenturen sind Fotograf:innen auch angestellt tätig; sonst arbeiten sie meist freiberuflich.

In der Literatur werden primär drei Typen von Bildagenturen unterschieden: Pressebildagenturen, Universalarchive und Spezialarchive (vgl. Wilke 2008: 38). Neuere Typen sind z. B. Stockfotoagenturen. Eine Besonderheit stellen darüber hinaus Fotografenagenturen dar, die im Besitz einer Gruppe von → Fotograf:innen sind (vgl. Koltermann 2017: 67). Die zunehmende Marktkonzentration zugunsten einiger weniger großer Agenturen hat in den letzten 20 Jahren zur Entstehung neuer Akteure geführt, die gleichzeitig in allen genannten Segmenten tätig sind. Hierfür findet auch der Begriff „hybride Bildagentur“ (Runge 2022: 40) oder Allroundagentur Verwendung. Bildagenturen bieten unterschiedliche Lizenzierungsmodelle wie Abonnement, Rights Managed, Royaltee Free, Microstock oder Rights Simplified an (vgl. Bauernschmitt 2022: 76 ff). Für den tagesaktuellen Journalismus spielt vor allem das Abonnement eine wichtige Rolle und wird von allen großen Pressebildagenturen angeboten. Marktführer in Deutschland in diesem Segment ist die Deutsche Presse Agentur (dpa).

Geschichte

Als eine der ersten Bildagenturen gilt die 1895 in den USA gegründete Pressebildagentur Brain News Service (vgl. Weise 2016: 7). Ein entscheidender Faktor für die weitere Entwicklung des Bildermarktes war die Erfindung der Bildtelegrafie, die von Anfang des 20. Jahrhunderts an für fast 100 Jahre bis zur Digitalisierung der Fotografie das wichtigste Übertragungsmedium blieb (vgl. Bauernschmitt/Ebert 2015: 30). Vorläufer der Bildagenturen war ein sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelnder Markt für den Handel mit Holzstichen (vgl. Weise 2016: 5). Durch die zunehmende Nachfrage nach Fotografien in Zeitungen und Zeitschriften erlebten Bildagenturen im Zweiten Weltkrieg und in den 1920er Jahren einen enormen Aufschwung, vor allem in Deutschland und den USA. Technische Entwicklungen, die den Handel mit Fotografien begünstigten, waren die der Kleinbildkamera und der Farbfotografie. Einen entscheidenden Wandel erfuhr der Bildermarkt nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zusammenschluss von Fotograf:innen zu Fotoagenturen. Bekanntestes Beispiel ist die Gründung der Fotoagentur Magnum 1947 (vgl. Bair 2020). Ziel dieses neuen Typus von Bildagentur war es, bessere Vertragsbedingungen für freie Fotojournalist:innen bei Zeitschriften und Zeitungen auszuhandeln und gleichzeitig einen Markt für die Zweitverwertung von Fotografien zu schaffen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war neben der Bildtelegrafie der Versand von Fotonegativen Standard bei den Bildagenturen. Die Digitalisierung führte in drei Stufen zu fundamentalen Umwälzungen. In einem ersten Schritt war dies die Einführung der elektronischen Bildverarbeitung, worunter auch das Scannen, also Umwandeln von analogen Negativen in digitale Bilddateien, zählte (vgl. Macias 1990). Die Einführung und schrittweise Durchsetzung der digitalen Fotografie war der zweite wichtige Faktor. Der dritte Schritt war die Einführung digitaler Bilddatenbanken, die sich nach dem Aufkommen des Internets mit der Zeit durchsetzten. Kataloge konnten jetzt als digitale Archive und Datenbanken online gestellt werden. In den 1990er Jahren kamen zunehmend Stockfotoagenturen auf, die Symbolbilder mit vereinfachten Lizenzen anboten und vor allem für den → Onlinejournalismus immer größere Bedeutung gewannen (vgl. Runge 2015).

Gegenwärtiger Zustand

Tageszeitungen, Onlinemedien und Magazine verfügen in Deutschland nur noch in geringem Maße über eigene Fotograf:innen (vgl. Koltermann 2022), wodurch die Bedeutung von Bildagenturen und anderen Handelsplattformen für Bilder stetig steigt. Das Bildgeschäft läuft heute so gut wie ausschließlich über das Internet ab. In den Datenbanken der Agenturen oder auf zentralen Plattformen wie Picturemaxx können Redaktionen mit wenigen Klicks Bilder recherchieren, lizenzieren und kaufen (vgl. Koltermann 2023: 103 ff). Der Bildermarkt in Deutschland gilt als der zweitgrößte der Welt (vgl. Wilke 2008: 44). Für das Jahr 2021 ging eine Schätzung von 273 in Deutschland ansässigen Bildagenturen aus (vgl. Bauernschmitt 2021: 16). Die Krise auf dem Medienmarkt sowie im Fotojournalismus hat in den letzten zwei Jahrzehnten zu unterschiedlichen Phasen der Konsolidierung und zu einer Marktkonzentration auf einige große Anbieter wie Getty Images geführt (vgl. Blaschke 2016). Große Herausforderungen waren die Digitalisierung der Fotografie, die Verbreitung des Internets und die damit verbundenen neuen digitalen Vertriebswege, das Aufkommen von Stockfotoagenturen sowie die Konkurrenz durch Amateur-Bilddatenbanken wie Flickr (vgl. Gerling/Holschbach/Löffler 2018). Dazu kommen → KI-generierte Bilder, die langfristig vermutlich den Marktanteil von Stockfotos schwächen werden. Gleichzeitig haben sich erfolgreich neue genossenschaftliche Modelle etabliert, wie etwa bei der Fotoagentur laif (vgl. Krieg 2023). Die Interessen der Bildagenturen in Deutschland werden vom Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) vertreten, der 1973 unter dem Namen Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive gegründet wurde (vgl. Koltermann 2023). Die wichtigsten Bildagenturen auf dem deutschen Medienmarkt sind dpa, Picture Alliance, Getty Images, Agence France Presse, Associated Press, Reuters sowie die European Pressphoto Agency. Dazu kommen nicht-journalistische Bildagenturen wie Unsplash, Adobe Stock und Shutterstock.

Forschungsstand

Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ist die Rolle der Bildagenturen in der Pressegeschichte unterforscht, insbesondere was die deutschsprachige und Deutschland-bezogene Forschung angeht. Dies ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass Bildagenturen bis heute als nicht dem → System Journalismus zugehörige Institutionen angesehen werden. Nur so ist zu erklären, dass etwa die historische Presseforschung oder die Forschung zu Medieninstitutionen das Thema bisher weitgehend ausgelassen und der Kunst- und Fotogeschichte überlassen hat. Dort hat sich vor allem Bernd Weise um das Feld verdient gemacht und sich der historischen Aufarbeitung der Bildagenturen in Deutschland verschrieben (Weise 2014). Ansonsten nehmen historische Arbeiten oft die Geschichte einzelner Bildagenturen in den Blick, wie etwa der Agentur Magnum (Bair 2020). Themenbereiche an der Schnittstelle der Kommunikations- und der Medienwissenschaft, die seit der Jahrtausendwende untersucht wurden, sind Praktiken des Archivierens und Teilens (Gerling et al. 2018), die Funktionsweise von News-Agenturen (Ilan 2019; Gürsel 2016), die Digitalisierung von Bildarchiven (Blaschke 2016; Melone 2018) die Handelsgebräuche auf dem Bildermarkt (Bauernschmitt 2022; Wilke 2008) sowie die Besonderheit der → Stockfotografie (Runge 2015). Ausgehend von der Aufarbeitung von historischen Konvoluten einzelner Agenturen bieten Ausstellungskataloge (begrenzte) Einblicke in das Schaffen von Bildagenturen, wie etwa Ullstein Bild (Axel Springer Syndication 2017).

Literatur

Axel Springer Syndication GmbH; Stiftung Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): Die Erfindung Der Pressefotografie: Aus Der Sammlung Ullstein 1894-1945. Berlin [Hatje Cantz] 2017.

Bair, Nadya: The decisive network: Magnum Photos and the Postwar Image Market. Oakland [University of California Press] 2020.

Bauernschmitt, Lars; Michael Ebert: Handbuch des Fotojournalismus. Heidelberg [dpunkt] 2015.

Bauernschnitt, Lars: Die Entwicklung des Bildermarktes unter den Bedingungen der Coronapandemie. In: Koltermann, Felix: Corona und die journalistische Bildkommunikation, Baden-Baden [Nomos] 2021, S. 11-36.

Bauernschmitt, Lars: Die Entwicklung des Bildermarktes und der Bildagenturen in Deutschland unter Bedingungen der digitalen Transformation seit 1990. In: Grittmann, Elke; Felix Koltermann: Fotojournalismus im Um- und Aufbruch: Hybrid, Multimedial, Prekär. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2022, S. 66-88.

Bergmann, Monika: Die Bilderjagd: Beruf des Bildredakteurs. Sinzheim [PIAG] 2006.

Blaschke, Estelle: Bilder als Kapital. Corbis, Getty Images und der digitale Bildermarkt (Themenheft: Geschichte der Fotoagenturen). In: Fotogeschichte, 142, 2016, S. 49-54.

Blaschke, Estelle: Banking on Images. Leipzig [Spector Books] 2016.

Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: Agentur. https://www.dwds.de/wb/Agentur [22.07.2025]

Gerling, Winfried; Susanne Holschbach; Petra Löffler: Bilder verteilen – Fotografische Praktiken in der digitalen Kultur. Bielefeld [transcript] 2018.

Gürsel, Zeynep Devrim: Image Brokers: Visualizing World News in the Age of Digital Circulation. Oakland [University of California Press] 2016.

Ilan, Jonathan: The international photojournalism industry. New York [Routledge] 2019.

Koltermann, Felix: Fotoreporter im Konflikt. Der internationale Fotojournalismus in Israel/Palästina. Bielefeld [transcript] 2017.

Koltermann, Felix: Fotografie im Journalismus. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2023.

Krieg, Claudia: laif-Genossenschaft startet durch, In: Menschen machen Medien, 29. November 2023. https://mmm.verdi.de/beruf/laif-eine-genossenschaft-startet-durch-93257/

Macias, José: Die Entwicklung des Bildjournalismus. München [Saur] 1990.

Müller-Heiden, Barbara: Fachrichtung Bildagentur: Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste. Sinzheim [PIAG] 2009.

Melone, Mirco: Zwischen Bilderlast und Bilderschatz. Pressefotografie und Bildarchive im Zeitalter der Digitalisierung. Berlin [Fink] 2018.

Rauch, Friedrich: Publizistische Fotografie: Organisation und Handelsgebräuche. Baden-Baden [Verlag Presse Informations Agentur] 1993.

Runge, Evelyn: Im Auge des Jokers: Stockfotos in journalistischen Medien. In:  Deutscher-Fachjournalisten-Verband (Hrsg.): Positiver Journalismus. Konstanz [UVK] 2015, S. 123-140.

Runge, Evelyn:  Stockfotografie und Fotojournalismus: Wie Fotoproduzent*innen, Fotoredakteur*innen und Fotojournalist*innen einen Grenzbereich navigieren. In: Grittmann, Elke; Felix Koltermann: Fotojournalismus im Um- und Aufbruch: Hybrid, Multimedial, Prekär. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2022, S. 38-65.

Weise, Bernd: „ullstein bild“ – vom Archiv zur Fotoagentur – Fotografie im Presseverlagsgeschäft. In: Oels, David; Ute Schneider: „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berlin [de Gruyter] 2014, S. 259-286.

Weise, Bernd: Strukturen des Bildertransports. Fotoagenturen im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Fotogeschichte, 2016, 142, S. 5-20.

Wilke, Jürgen: Der Bildermarkt in Deutschland – Akteure, Vermarktungswege, Handelsgebräuche, Markttendenzen. In:  Grittmann/Neverla et al. (Hrsg.): Global, lokal, digital: Fotojournalismus heute. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2008, S. 36-50.

 

 

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Felix Koltermann
*1979, Dr., Wissenschaftsredakteur am CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit; Vorher Postdoc am Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie der Hochschule Hannover mit einem Forschungsprojekts über bildredaktionelle Praktiken im digitalen Zeitungsjournalismus. Arbeitsschwerpunkte: Visuelle Kommunikation, zeitgenössischer Fotojournalismus, visuelle Medienkompetenz. Kontakt: info (at) fkoltermann.de