Satirefreiheit

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Satirefreiheit bezeichnet die Freiheit zur öffentlichen Kommentierung von Personen und Ereignissen in einer erkennbar unernsten, übertriebenen, grotesken, verzerrten oder verfremdeten Form.

Bei Glossen, Parodien, → Karikaturen und satirischen Darstellungen ist zu unterscheiden zwischen der erkennbar übertriebenen, verfremdeten oder unernsten ‚Einkleidung‘ einer Aussage und ihrem ernst gemeinten → Inhalt, dem Aussagekern.

Bei der Einkleidung genießt der Autor eine weitgehende Freiheit, die ihre Grenze erst dort findet, wo es sich um reine Schmähung oder Formalbeleidigung handelt bzw. die Menschenwürde angetastet wird (vgl. zuletzt LG Hamburg 324 O 255/16 vom 17.05.2016 in Sachen Erdogan vs. Böhmermann wegen dessen Schmähgedichts in der Sendung Neo Magazin Royale vom 31.03.2016). Der durch Auslegung zu ermittelnde Aussagekern hingegen wird nach den allgemeinen Regeln des → Ehrenschutzes behandelt. Demzufolge wird die Darstellung als → üble Nachrede verfolgt, wenn sie eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung enthält, die nicht erweislich wahr ist. Die wertenden Elemente des Aussagekerns hingegen sind durch das Grundrecht der → Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, soweit sie eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung kommentieren und die Grenze zur → Schmähkritik nicht überschreiten.

Die Darstellung ist so zu interpretieren, wie sie der gewöhnliche → Rezipient vermutlich versteht, also ein Leser, Hörer oder Zuschauer, der nicht über spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet verfügt, mit dem sich die Glosse, → Karikatur oder Satire beschäftigt. Das gilt sowohl für die Frage, ob das Publikum den unernsten Charakter des Beitrages erkennen kann, wie auch für die Ermittlung seines Aussagekerns.

Besonderen Schutz genießen Äußerungen im politischen Meinungskampf und Beiträge zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung. Ist ein solcher Beitrag mehrdeutig, darf seiner Interpretation nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verständnis, das zur Verurteilung als Ehrverletzung führt, nur dann zugrunde gelegt werden, wenn alle anderen Interpretationen überzeugend ausgeschlossen worden sind.

Literatur:

Lenckner, Theodor: Randziffer 8a zu § 185 StGB. In: Schönke, Adolf; Horst Schröder: Strafgesetzbuch, Kommentar. 29. Auflage, München [C.H. Beck] 2014

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Udo Branahl
Univ. Prof. Dr. iur., war von 1979 bis 2011 Professor für Medienrecht an der Universität Dortmund. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören das Medienrecht und die Gerichtsberichterstattung. Außerdem ist er in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten (Redakteuren und Volontären) und von Öffentlichkeitsarbeitern sowie auf dem Gebiet der Rechtsdidaktik (Aus- und Fortbildung von Prüfern juristischer Examen) tätig.