Aufgrund der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG festgelegten Rundfunkfreiheit ist dem Staat jeder Einfluss auf die Programme der Rundfunkveranstalter versagt. Gleichwohl ist er für die Ausgestaltung einer Rundfunkordnung, die diese Freiheit gewährleistet, verantwortlich. Damit ist Staatsfreiheit als Ideal geboten, die in der Praxis als Staatsferne realisiert wird.
Definition:
„Die → Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Dieser Satz in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordert die Staatsfreiheit des Rundfunks. Er verbietet jedwede Regelungen, über die staatliche Akteure Einfluss auf Inhalte des Rundfunks und der Presse nehmen können. Staatsfreiheit ist also eine Norm, die sich auf die → Inhalte von Medien bzw. öffentlicher Kommunikation bezieht, sie umfasst aber nicht die Abwesenheit des Staates bei der Gestaltung einer Kommunikationsordnung, für die er eine Verantwortung trägt.
Der elementare Wert von Staatsfreiheit resultiert aus zwei Erwägungen:
- Ein demokratisches Gemeinwesen und die dafür notwendige Meinungsbildung von Bürger:innen funktioniert nur mittels unabhängiger Medien, die in der Lage sind, diese normativen Konzepte in der Praxis umzusetzen. Sie dürfen in inhaltlicher Weise nicht von Seiten staatlicher Akteure beeinflusst werden.
- Die Ausgestaltung von Staatsfreiheit bei gleichzeitiger Verantwortung für die Ausgestaltung einer demokratiedienlichen Kommunikationsordnung erfordert eine dezidierte Auseinandersetzung mit Abhängigkeiten, wie sie sich auf institutioneller, aber auch auf inhaltlicher Ebene ergeben können.
Während kommerzielle, in privatwirtschaftlichem Besitz befindliche Medien per se staatsfrei sind, bezieht sich der Begriff der Staatsfreiheit auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Geschichte:
Die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, in dem alle Medien gleichgeschaltet und dem staatlichen Propaganda-Apparat untergeordnet waren, prägten maßgeblich die Etablierung des Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland. Um staatliche Instrumentalisierung in der Zukunft zu vermeiden, entschieden sich die Gesetzgeber unter Aufsicht der Alliierten für den Aufbau eines föderalen öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach britischem Vorbild (British Broadcasting Corporation, BBC); die Unabhängigkeit von politischen (Staatsfreiheit) und wirtschaftlichen Interessen (Marktferne) sollte damit gewährleistet werden.
Einen Ausgangspunkt für die rechtliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung bilden die verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten. So werden das individuelle Grundrecht auf Meinungsbildung und die Rundfunkfreiheit im Grundgesetz festgehalten (Art. 5 Abs. 1 GG). Die konsequente Auslegung dieser Normen durch die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts hat die Entwicklung des Rundfunksystems bestimmt. In den letzten 60 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder die Verfassungskonformität von rundfunkpolitischen Ansätzen und Entwicklungen überprüft. Hieraus entstand eine Reihe von Rundfunkurteilen, die die verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten zeit- und kontextgemäß interpretierten und diese auf die rundfunkpolitische Praxis übertrugen. Die normativen Konzepte ‚Staatsfreiheit‘ und ‚Rundfunkunabhängigkeit‘ sind für diese Auslegungen zentral (Gersdorf 1991). Diesem Gedankengang zufolge wird die Rundfunkfreiheit als eine dienende Freiheit verstanden (BVerfGE 57, 295). Der freie Rundfunk wird somit der gesellschaftlichen Aufgabe verpflichtet, durch sein vielfältiges Programmangebot zur freien Meinungsbildung beizutragen.
Gegenwärtiger Zustand:
Aufgrund seiner Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft schreibt das Bundesverfassungsgericht dem Rundfunk eine Sonderrolle im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu (BVerfGE 119, 181, 214 ff). Der Betrieb öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird daher als eine öffentliche Aufgabe verstanden, die von staatlichen Aufgaben klar abzugrenzen ist. Dieses besagt der vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigte Grundsatz der Staatsfreiheit. Demnach obliegt dem Staat nicht nur die Aufgabe, den Rundfunk vor staatlicher Einflussnahme zu schützen, sondern auch vor den Interessen anderer gesellschaftlicher Gruppen – wie zum Beispiel politischer Parteien, Wirtschaftsunternehmen oder Religionsgemeinschaften (BVerfGE 12, 205, E-III). Die öffentliche Verwaltung und Finanzierung der Rundfunkanstalten werden somit durch den Gesetzgeber rechtlich abgesichert. Die Staatsfreiheit gilt dabei sowohl für die Verwaltung, die Kontrolle als auch die Finanzierung.
Die Landesrundfunkgesetze regeln Funktion und Zusammensetzung der jeweiligen Rundfunkgremien, die die Pluralität der Gesellschaft widerspiegeln soll. Jedes dieser Gesetze legt die gesellschaftlich relevanten Gruppen fest, die ihre Vertreter:innen in die Rundfunk- und Fernsehräte der öffentlich-rechtlichen Anstalten entsenden dürfen. Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Kunstverbände werden z. B. als gesellschaftlich relevante Gruppen aufgeführt. Länder, Bund und politische Fraktionen sind in den Aufsichtsgremien ebenfalls vertreten. Da die Vertreter:innen der sogenannten Staatsbank in den Gremien mit bis zu einem Drittel der gesamten Mitgliederzahl vertreten sein dürfen, ist eine komplette Staatsfreiheit formal betrachtet nicht gegeben, doch kann diese Staatsbank jederzeit von den anderen Gremienmitgliedern überstimmt werden.
Zu den Hauptfunktionen der Rundfunk- und Fernsehräte zählen unter anderem die Überwachung der Erfüllung des gesetzlich festgelegten Programmauftrags, die Genehmigung des Haushalts und die Wahl des/der Intendanten/in. Die pluralistische Zusammensetzung der Aufsichtsgremien soll somit einer pluralistisch angelegten Kontrollfunktion zugutekommen, bei der die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt werden.
Der Rundfunkstaatsvertrag und der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag regeln die öffentliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die also nicht aus dem Staatshaushalt erfolgen darf. Zentrale Rolle in diesem Prozess spielt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die den angemeldeten Finanzbedarf der Rundfunkanstalten nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überprüft. Daraus leitet sie die Höhe des Rundfunkbeitrags ab. Dieses durch ein unabhängiges Gremium geleitete Verfahren ist das Ergebnis des achten Rundfunkurteils des Bundesverfassungsgerichts, das bei einem staatlich geregelten Beitragsfestsetzungsverfahren das Potenzial politischer Einflussnahme auf das publizistische Angebot erkannte und sich für eine staatsunabhängige Festsetzung aussprach (BVerfGE 90, 60).
In der Vergangenheit gab es einzelne Fälle, die zeigten, dass die zuvor genannten Ideale der Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Realität einen schwierigen Stand haben. Der bekannteste ereignete sich im Zweiten Deutschen Fernsehen, dem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 bescheinigt hat, dass hier der Einfluss politischer Akteure besonderes groß war, weshalb es die Begrenzung auf das oben genannte Drittel vorschrieb. Zwar treten Fälle des Versuchs politischer Einflussnahme weiterhin auf, doch können einzelne Versuche politischer Einflussnahme nicht als systematischer Ausdruck mangelnder Staatsfreiheit gewertet werden. Die Pluralität der Aufsichtsgremien und vor allem das journalistische Ethos der Medienschaffenden machen diesen Vorwurf gegenstandslos.
Forschungsstand:
Das Verhältnis zwischen Politikern (nicht nur staatlichen Akteuren) und Journalisten ist Gegenstand der empirischen Kommunikationsforschung. Kepplinger (2006) wertete Interviews mit 230 Hauptstadtjournalisten aus. 28 Prozent von ihnen gaben an, dass Politiker im beruflichen Umgang schon einmal Druck auf sie ausüben wollten. Etwas komplexer beschreibt eine ältere Studie das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten. Danach spielt sich das Verhältnis der beiden Gruppen auf einer Vorder- und auf einer Hinterbühne ab. Unterschieden wird also zwischen dem, was zu sehen ist, und dem, was im Hintergrund geschieht. Während auf der Vorderbühne die erwartete Staatsfreiheit durchaus verteidigt wird, ist das Verhältnis im Hintergrund eher durch Interdependenz, d. h. eine wechselseitige Abhängigkeit, gekennzeichnet: Publizität wird gegen Information getauscht – politische Eliten bestimmen die Agenda, Journalisten stellen die Agenda dem Publikum zur Verfügung. Auch in einer jüngeren Studie wird auf eine Verknüpfung von politischem Diskurs und Mediendiskurs verwiesen: Krüger (2013) untersuchte, wie Leitmedien mehr oder weniger den laufenden Diskurs der Eliten reflektieren, aber dessen Grenzen nicht überschreiten und dessen Prämissen nicht kritisch hinterfragen. Er fand heraus, dass jeder dritte der leitenden Redakteure informelle Kontakte zu Politik- und Wirtschaftseliten unterhielt.
Literatur:
Gersdorf, Hubertus: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland. Berlin [Duncker & Humblot] 1991.
Kepplinger, Hans-Martin: Erfahrungen der Berliner Journalisten mit Politikern. 2006. http://www.kepplinger.de/files/Erfahrungen_der_Berliner_Journalisten_mit_Politikern.pdf [19.07.2023]
Krüger, Uwe: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln [Halem Verlag] 2013.
Thomaß, Barbara; Stoyan Radoslavov: Unabhängigkeit und Staatsferne – nur ein Mythos? In Bundeszentrale für politische Bildung, 2016. https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/172237/unabhaengigkeit-und-staatsferne-nur-ein-mythos/?p=all#footnode12-12 [19.07.2023]