Wortherkunft: substantivische Ableitung aus dem Adjektiv ‘vollständig’, im Deutschen nachgewiesen seit dem 16. Jahrhundert.
Mit Vollständigkeit wird allgemein das Vorhandensein sämtlicher Bestandteile einer Sache, Situation oder Handlung bezeichnet. Synonym ist das Substantiv ‘Lückenlosigkeit’ gebräuchlich. Als journalistisches Qualitätskriterium ist Vollständigkeit in der Schnittmenge der beiden Qualitätsdimensionen → Richtigkeit und → Relevanz angesiedelt. Generell wird unter Vollständigkeit im journalistischen Sinne verstanden, dass ein Beitrag alle relevanten Informationen enthält, die zum korrekten Verständnis eines Sachverhaltes notwendig sind. Die Forderung nach Vollständigkeit im strengen Sinne, also nach der Aufnahme sämtlicher zu einem Thema verfügbaren Informationen in die journalistische Berichterstattung wird von der Journalismusforschung in der Regel verworfen – einerseits aus pragmatischen Gründen, andererseits aber auch, weil Vollständigkeit in dieser Ausprägung der journalistischen Kernaufgabe entgegensteht, ausschließlich für die → Öffentlichkeit bedeutsame Informationen für die Berichterstattung auszuwählen.
Zur Gewährleistung von Vollständigkeit in der Praxis und zu ihrer Messung in der Journalismusforschung wird oft auf die so genannten, im Journalismus weitgehend akzeptierten W-Fragen zurückgegriffen: Wer? Was? Wo? Wann? Wie? Warum? Woher? (auch: Welche Quelle?) Was folgt daraus?
Vollständigkeit bewegt sich nahe am Konzept der internen Relevanz – auch dabei geht es darum, möglichst alle wesentlichen Aspekte eines Themas in der Berichterstattung zu erfassen. Die Nähe zur Qualitätsdimension Relevanz wird zudem dadurch deutlich, dass gelegentlich auch der Rückgriff auf → Nachrichtenfaktoren als Vollständigkeitskriterien ins Spiel gebracht wird, obwohl diese eher zur Gewährleistung von Qualität im Hinblick auf die externe Relevanz der Berichterstattung dienen.
Schließlich gibt es auch eine gewisse Schnittmenge mit der Forderung nach Vielfalt oder sogar → Universalität. So dürfte die Berichterstattung am ehesten dann vollständig sein, wenn sie über eine Vielzahl möglichst vielfältiger Quellen verfügt und möglichst viele verschiedene handelnde Akteure berücksichtigt.
Literatur:
Hagen, Lutz M.: Informationsqualität von Nachrichten. Meßmethoden und ihre Anwendung auf die Dienste von Nachrichtenagenturen. Opladen [Westdeutscher Verlag] 1995
Handstein, Holger: Qualität im lokalen Zeitungsjournalismus. Theoretischer Entwurf und empirische Fallstudie. München [AVM] 2010
Kurz, Josef; Daniel Müller; Joachim Pötschke, Horst Pöttker; Martin Gehr: Stilistik für Journalisten. 2. Auflage. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2010
McQuail, Denis: Media Performance. Mass Communication and the Public Interest. London [Sage] 1992