Quellenschutz

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Ein Schloss symbolisiert den Schutz der Quelle erstellt von Dall-e KI
KI-Bildgenerator: DALL-E

Definition:
Der ‚Quellenschutz‘ bezeichnet den rechtlichen Schutz von → Journalisten vor dem Zwang, gegen Informanten aussagen zu müssen – z. B. in Strafverfahren. Dies betrifft auch den Schutz vor der Durchsuchung von Recherchematerial, aus dem Rückschlüsse auf Informanten gezogen werden könnten.

Geschichte:
Nach der deutschen Reichsgründung wurde im Reichspreßgesetz von 1874 kein Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige (in Strafverfahren) aufgenommen.
Erst durch die Novelle zu § 53 der Strafprozessordnung (StPO) vom 27.12.1926 wurde immerhin ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht eingeführt. Diese Bestimmung blieb auch zur Zeit des Nationalsozialismus bestehen, doch hatte sie keine praktische Bedeutung, da in § 20 Abs. 3 des Schriftleitergesetzes eine Auskunftspflicht für sog. ‚Schriftleiter‘ (Journalisten) statuiert war. Durch die Neufassung des § 53 StPO wurde am 4.8.1953 das Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf eine „Veröffentlichung strafbaren Inhalts“ auf Bundesebene wiederhergestellt und sogar erweitert.

Gegenwärtiger Zustand:
a) Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO (→ Zeugnisverweigerungsrecht)
b) Durchsuchungsschutz (Offline), § 97 Abs. 5 StPO:
Der Quellenschutz ist Teil der → Pressefreiheit. Journalisten sollen nicht durch ihre Arbeit zur ‚Hilfspolizei‘ werden: Sollten Dokumente, die auf Informationen Dritter basieren, durchsucht oder beschlagnahmt werden, würde dies den Kontakt zu ihren Informanten gefährden. Der Schutz gilt auch für eigenes Material einschließlich Filmaufnahmen, bei Zufallsfunden außerhalb von gezielten Durchsuchungen und nach Abs. 2 S. 2 für „selbst erarbeitete Materialien“ und „den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen“.
Das Beschlagnahmeverbot verfolgt den Zweck der Abstützung des Zeugnisverweigerungsrechts bei mündlichen Vernehmungen im Strafprozess, Zivilprozessordnung (ZPO). Deshalb entsprechen die Voraussetzungen der zentralen Regel des § 53 Ab. 1 S. 1 Nr. 5 StPO.
Voraussetzung des Schutzes ist allerdings, dass Journalisten ihre Tätigkeit beruflich ausüben. Das Beschlagnahmeverbot gilt zudem nicht, wenn der Journalist selbst Beschuldigter ist.
Es gilt nach § 98 StPO der Vorbehalt richterlicher Entscheidung. Bei bestimmten Straftaten (Abs. 2 S. 2 Nr. 1-3) entfällt der Schutz für die genannten „selbst erarbeiteten Materialien“ und „den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen“, Abs. 2 S. 2.
Geschützt vor dem staatlichen Zugriff sind auch digitale Datenträger wie CD-ROM, USB-Sticks, BVerfG 1 BvR 491/23, 26.6.23, oder Computer.

c) Durchsuchungsschutz (Online):
Der Schutz der online gespeicherten Materialien von Journalisten gegen digitale Formen der Untersuchung besteht in einer gegenüber § 97 Abs. 5 StPO (Offline) begrenzten Form. § 100a regelt die Telekommunikations-Überwachung (TKÜ): Diese Maßnahme ist nur gegen Beschuldigte zulässig, es sei denn, ein Betroffener nimmt für den Beschuldigten Informationen entgegen. Ähnliches gilt für die Online-Durchsuchung, § 100b Abs. 3, wobei auch dritte Kontaktpersonen betroffen sein können. Bei der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100c dürfen Überwachungsmaßnahmen nur in der Wohnung des Beschuldigten vorgenommen werden. Nach § 100d Abs. 5 besteht ein absolutes Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf Daten, die durch Maßnahmen nach § 100b und § 100c gewonnen worden sind und die gegen Dritte gerichtet sind: Es handelt sich um den besonderen Fall einer Maßnahme gegen einen Dritten, in die ein Journalist ‚hineingerät‘. Die Vorschrift stellt wie § 97 Abs. 5 eine Verknüpfung mit dem in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO geschützten Zeugnisverweigerungsrecht her.

Insgesamt gilt beim Schutz vor online erfolgenden Durchsuchungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Es muss um eine Straftat von erheblicher Bedeutung gehen, und andere Ermittlungsmöglichkeiten sollten bereits ausgeschöpft sein, bevor richterliche Anordnungen für Durchsuchungen möglich werden. Eine Beschränkung gilt zudem für Materialien, die Rückschlüsse auf Informanten erlauben. Der Schutz erstreckt sich auf eigene Mitteilungen und eigenes Recherchematerial – außerdem auf ausgelagerte Materialien, z. B. in einer Cloud.
Auch das Bundeskriminalamt (BKA) kann Mittel der Telekommunikationsüberwachung vornehmen, und zwar hier auch, wenn dritte Personen betroffen sind, gegen die selbst nicht der Verdacht besteht, schwere strafbare Handlungen begehen zu wollen.
Für Journalisten gilt der Schutz nach § 62 Abs. 2 S. 1. Den § 45 hat das BVerfG am 1. 10.2024, 1 BvR1160/19, für verfassungswidrig erklärt.

d) Sicherheitsdienste
Weitergehende Freiheit zur Vornahme digitaler Untersuchungsmaßnahmen besteht für Sicherheitsdienste bei nicht durch bestimmte Verfahren ausgelösten Durchsuchungen von Informationsnetzen, z. B. nach § 4 Bundesnachrichtendienst (BND)-Gesetz bei Auslandsbezug oder § 8 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) bei Inlandsbezug. Dies gilt auch für weitere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden der Länder (vgl. GFF o. J.) Die Untersuchungen müssen zeitlich eng begrenzt werden. Nach § 3b Abs. 2 G-10-Gesetz besteht im Fall des Einsatzes von TK-Überwachungsmaßnahmen von Verfassungsschutz und BND gegen Journalisten eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung. Grundsätzlich gilt Quellenschutz auch z. B. für eine verfahrensunabhängige Auskunftsanfrage nach Daten eines Journalisten bei dem Provider, BVerfGE107, 299. Auch Auslandskommunikation darf nur auf gesetzlicher Grundlage beobachtet und abgehört werden, BVerfGE 154, 153 Rn. 193. Vor allem die Vielzahl der überwachungsberechtigten Behörden und die für Journalisten schwer abschätzbare Betroffenheit erscheint bedenklich unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit. Gegen die Gesetze, die die Telekommunikationsüberwachung zulassen, sind mehrere Verfassungsbeschwerden erhoben worden; bisher ist (bis auf die o. a. Entscheidung vom 1.10.2024) noch keine beschieden worden.

e) Datenschutz
Nach Art. 85 Datenschutz-Grundverordnung bestehen die Beschränkungen des Datenschutzes gegenüber privaten Dritten nicht für journalistische → Recherchen. Umgekehrt besteht eine Pflicht zur Speicherung von Gegendarstellungen. Wichtig ist dies für die Einsichtnahme Dritter im Falle von Auskünften aus der Datei.

f) Zivilrecht und Zivilprozess
Es ist umstritten, ob der Quellenschutz des § 53 StPO, der dort Gegenstand eines Rechts des Informationsempfängers ist, auch Wirkungen zu dessen Lasten hat, wenn der Empfänger entgegen Nr. 5 des → Pressekodex die Identität des Informanten preisgibt, verneinend LG Berlin, 6.6.2023, 67 O 36/23 (Reichelt); dies erscheint zweifelhaft, da durch ein solches Verhalten der Quellenschutz mit Wirkung auf die gesamte Presse beeinträchtigt wird. Nach § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO gilt ein dem strafprozessualen vergleichbares Zeugnisverweigerungsrecht für das Verfahren nach der ZPO, das aber praktisch weitaus weniger Bedeutung hat als die Regelungen der StPO.

g) Hinweisgeberschutz und Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Wer in beruflichem Zusammenhang Hinweise auf Rechtsverstöße z. B. seines Arbeitgebers geben will, muss die Vorschriften über das Meldeverfahren beachten und darf sich erst dann an die → Öffentlichkeit – und damit an Journalisten – wenden, wenn die vorgesehenen Bearbeitungsfristen überschritten worden sind oder ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Information der Öffentlichkeit – und damit auch von Journalisten – besteht, § 32 Hinweisgeberschutzgesetz v. 31.5.2023. Dies ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Hinweisgebers, die auch Journalisten zugutekommt. Daneben wird durch § 5 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen v. 18.4.2019 auch das Recht bei „berechtigtem Interesse“, insbesondere zur Wahrnehmung des Rechts der → Meinungsfreiheit auch Geschäftsgeheimnisse zu veröffentlichen – allerdings unterliegt dies einer schwer kalkulierbaren Abwägung. Auch dies kommt mittelbar (bei Information durch Dritte), aber auch unmittelbar (bei eigener Recherche) Journalisten zugute.

h) Verwaltungsprozessrecht
Ein Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten ist für die Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich geregelt. Hier könnte ergänzend auf die ZPO zurückgegriffen werden. Das OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.07.2014, Az. 10 OB 49/14, hat dies grundsätzlich für möglich gehalten, aber die Mitteilung „eigener Wahrnehmungen“ davon ausgeschlossen.

Einschätzung:
Im Hinblick auf offline erfolgende Durchsuchungen erscheinen die Rechte von Journalisten an der Wahrung der Integrität ihrer Quellen relativ gut gesichert. Sehr umstritten ist dies aber für online gespeicherte Daten. Der gegenüber § 97 Abs. 5 eingeschränkte Schutz durch § 160a Abs. 2 und 4 StPO ist höchst umstritten und Gegenstand mehrerer Verfassungsbeschwerden zum BVerfG. Eine Abhilfe könnte möglicherweise dadurch geschaffen werden, dass die Presseverbände versuchen, Fallgruppen zu unterscheiden oder bei der Beurteilung bereits erhobener Daten Gutachten durch eine Sachverständigenkommission einholen lassen.

Literatur:

Gerhardinger, Lukas: Journalistischer Quellenschutz im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung. Tübingen [Mohr Siebeck] 2023.

Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Übersicht über Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen neue Gesetze zur Überwachung digitaler Kommunikation und Speicher https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/bka-gesetz und https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/uebersichtsseite-zu-staatstrojanern#:~:text=Der%20Einsatz%20von%20Staatstrojanern%20greift,2008%20in%20einem%20Urteil%20entwickelte [25.01.2025]

Meyer-Großner, Lutz; Bertram, Schmitt: Strafprozessordnung. 67. Auflage. München [C.H.Beck] 2024.

Ricker, Reinhard; Johannes Weberling u. a., Handbuch des Presserechts. 7. Auflage. München [C.H.Beck] 2021.

Solmecke, Christian, Staatstrojaner: Was bedeutet der neue Gesetzentwurf für die Pressefreiheit und andere Grundrechte? In: DFJV-News, 11.08.2023. https://www.dfjv.de/publikationen/news/staatstrojaner-bietet-der-neue-gesetzesentwurf-genuegend-schutz-fuer-die-pressefreiheit [25.01.2025]

 

 

 

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Karl-Heinz Ladeur
*1943, Prof. Dr. Dr. h. c. (Fribourg/CH), Studium der Rechtswissenschaft in Köln und Bonn, Professor für Öffentliches Recht in Bremen, Hamburg, Florenz (EHI), Veröffentlichungen insbes. zum Medienrecht, Verfassungsrecht, Rechtstheorie.