Informationsfreiheit

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Begriff und Gegenstand der Informationsfreiheit:
a. Was gewährleistet die Informationsfreiheit?
Die Informationsfreiheit gehört zu den Kommunikationsfreiheiten, die den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in Gang halten sollen. Während die (öffentliche) Meinungsfreiheit unmittelbar die Bedingungen der öffentlichen Meinungsbildung gewährleisten soll, geht es bei der Informationsfreiheit um die Schaffung der informationellen Voraussetzungen der Meinungsbildung, nämlich die Beschaffung von Informationen. Es handelt sich zunächst um ein klassisches Abwehrrecht gegen den Staat, d. h. es gewährleistet nicht die Schaffung oder Bereitstellung von Informationen durch den Staat, sondern den Zugang zu einer vom Staat bereits geschaffenen Informationsquelle (BVerfGE 91, 125; 103, 44 – Fernsehen im Gerichtssaal). Das bedeutet, dass das Recht zunächst das Fließen von Informationen aus einer → Quelle sichert, über die ein Dritter verfügt oder verfügen kann. Es kann sich aber auch um Ereignisse handeln, zu denen der Zugang versperrt werden kann, so eine Veranstaltung oder ein Unfall. Die Beeinträchtigung kann auch in dem Verbot von Ton- und → Bildaufnahmen bestehen (Gerichtsverhandlung) oder in der Verzögerung des Zugangs. Die durch den Verfügenden nicht erlaubte heimliche Verschaffung des Zugangs zu unternehmens- oder verwaltungsinternen Informationsquellen kann durch die Informationsfreiheit gerechtfertigt werden, wenn es sich um insbesondere rechtswidrige Vorgänge handelt, an deren Offenlegung ein starkes öffentliches Interesse besteht (einschränkend BVerfGE 66, 116, 137 → Wallraff).

Dritter kann ein privater oder ein öffentlicher Akteur sein. Es geht nur um das Recht, eine „allgemein zugängliche Quelle“ zu nutzen. Das ist dann anzunehmen, wenn eine Quelle geeignet und bestimmt ist, einem „individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu verschaffen“ (BVerfGE 27, 71, 81; 33, 52, 65). Interne Unternehmensarchive oder Behördenakten gehören z. B. nicht dazu (auch nicht ein Dokument, das nur an einen ausgewählten Kreis von Empfängern verschickt worden ist, LG Köln, 13.8.2020, 14 O 77/19- juris). Bewertungsportale sozialer Medien können eine „allgemein zugängliche Quelle“ sein (BGH, NVwZ 2020, 370. Im Hinblick auf Akten von Behörden kann ein Auskunftsanspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen bestehen. Auch ein Vorbereitungstreffen von Lokalpolitikern ist grundsätzlich kein durch die Informationsfreiheit zugänglich werdendes Ereignis, von dem Photoaufnahmen zulässig wären; zusätzlichen Bildnisschutz bieten §§ 22, 23 KUG (LG Nürnberg, 15.4.2021, 12 Qs 14/21).

Wird ein Recht geltend gemacht, einen Informationsfluss erst zu eröffnen, geht es nicht mehr um die Informationsfreiheit, also den Zugang zu oder die Aufnahme von Informationen, die einem Teil der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Informationsfreiheit ist ein Abwehrrecht. Ein darüber hinausgehendes Leistungsrecht kann sich aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder ergeben. Man wird davon ausgehen können, dass ein solches Leistungsrecht auch durch die → Pressefreiheit  gewährleistet wird (BVerwGE 166, 303). (Dies ist wichtig für die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum BVerfG.) Dass ein Privater oder der Staat, die über die Informationsquelle verfügen, diese durch Entscheidung versiegen lassen, kann nicht unter Berufung auf die Informationsfreiheit beanstandet werden. Zweifelhaft erscheint die Frage, ob der Dritte durch ein an ein Kommunikationsunternehmen adressiertes Verbot der Verbreitung von Informationen in seiner Informationsfreiheit verletzt wird. Objektivrechtlich ist dies im Hinblick auf den auch durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 gewährleisteten Grundsatz der Informationsfreiheit zu bejahen. Im Lichte der durch den EuGH erweiternd interpretierten Rechtsschutzgarantie des Art. 47 GRCh ist jedenfalls für europarechtlich normierte Beschränkungen der Informationsfreiheit eine erweiterte Klagemöglichkeit Drittbetroffener anzunehmen (BVerwGE 148, 48, 61). Systematisch überzeugender erschiene allerdings die Annahme, dass der Dritte nicht in seinem subjektiven Recht betroffen ist, soweit der Betreiber der Informationsquelle allein Adressat einer Verbotsverfügung ist (Beispiel: Verbot der Einfuhr bestimmter Filme, BVerfGE 32, 52, 65). Umgekehrt kann dieser die Interessen Dritter durch sein Recht auf Verbreitung von Information geltend machen, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Zensur i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ist nur die Vorzensur (str. vgl. Ridder 1969). Das Abschneiden des Zugangs zu einer Informationsquelle ist keine Zensur, auch wenn diese Unterscheidung in der politischen Kontroverse häufig unterbleibt. Die Informationsfreiheit hat grundsätzlich auch Drittwirkung im Privatrecht. So kann der Ausschluss eines Informationsangebots aus einem Verbreitungssystem (Pressegrosso, Telekommunikation) das Recht auf Informationsfreiheit dritter Interessenten verletzen. Dies gilt auch, wenn z. B. ein privater Hauseigentümer einem Mieter den Gebrauch einer Satellitenanlage verweigert, obwohl (z. B. bei Ausländern) möglicherweise kein passables Angebot im Kabel verfügbar ist (BVerfGE 90, 27).

Ob es auch eine ‚negative Informationsfreiheit‘ gibt, d. h. das Recht, keine Informationen zu erhalten, erscheint zweifelhaft. Ggf. könnte ein Bedürfnis für die Erweiterung in Betracht gezogen werden, soweit es um den z. T. diskutierten Zwang zur Öffnung von Accounts in den → sozialen Medien für Informationen über abweichende Meinungen Dritter geht (OLG Karlsruhe,  24.4.2021,6 W 42/20 –‚Faktencheck‘, juris)

b. Schranken der Informationsfreiheit:
Die Schranken des Rechts sind nach Art. 5 Ab. 2 GG die gleichen wie die der → Meinungsfreiheit, nämlich die „Vorschriften der allgemeinen Gesetze“, „gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend“ und das „Recht der persönlichen Ehre“ (>Meinungsfreiheit). Der Vorbehalt der „gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend“ betrifft Zugangsbeschränkungen für jugendgefährdende Inhalte. Die Variante der Verletzung der „persönlichen Ehre“ könnte für die Begründung einer Beschränkung des Zugangs z. B. für persönlichkeitsverletzende Fotos etc. in Betracht kommen. Der Begriff der „allgemeinen Gesetze“ ist hier wie bei der Meinungsfreiheit durch die Rechtsprechung des BVerfG praktisch zu einem Vorbehalt der Abwägung mit konkurrierenden Belangen geworden. (BVerfGE 33, 52, 65 – Filmeinfuhrkontrolle). Besser wäre es, mit Ridder (1968: 282) darauf abzustellen, ob ein Gesetz die „rein geistige Wirkung“, also den Inhalt der Meinungsbildung tangiert. Das wäre im Einzelnen nicht leicht zu bestimmen, aber eine tendenziell enge Begrenzung der Schranken selbst wäre im Sinne des Grundrechts. Die pauschale Abwägung ist nicht freiheitsgerecht, wie BVerfGE 33, 65 zeigt.

Geschichte:
Die Informationsfreiheit gehört nicht zu den klassischen Grundrechten. Die Problematik des Zugangs zu Informationen ist in der Vergangenheit durch das Verbot der (Vor-)Zensur bewältigt worden, ein Verbot, das auch die Freiheit des Informationsflusses einschließlich der Verzögerung der Verbreitung (Zeitungen) gewährleisten soll. Die Zensur wendet sich gegen diejenigen, die Informationen verbreiten (Verleger), während die Informationsfreiheit aus der (durch Zensurmaßnahmen gleichermaßen betroffenen) Empfängerperspektive konzipiert ist und vor allem den Schutz vor selektiven Informationssperren betrifft.

Das paradigmatische Beispiel für die Eigenständigkeit der Informationsfreiheit gegenüber dem Zensurverbot ist das Verbot des Empfangs ausländischer Rundfunkprogramme während der NS-Zeit. Der freie Fluss der Informationen wird nicht durch Zensur gegenüber dem Produzenten, sondern durch Beschränkung der Zugänglichkeit für den potentiellen Empfänger beeinträchtigt.

Gegenwärtige Lage:
Die gegenwärtige Bedeutung des Grundrechts ist von einer Akzentverlagerung infolge des Übergangs zu Formen digitaler Kommunikation bestimmt. Dass die Hamburger Polizei bei Twitter die Kommentarfunktion unter einem ihrer Tweets deaktivierte, ist ein Eingriff in die Informationsfreiheit, der allerdings wegen aggressiver Posts gerechtfertigt sein kann (VG Hamburg, 28.4.2021, 3 K 5339/19 – juris). Die durch Gesetz (§ 3 Abs. 2) geschaffene Möglichkeit der Sperrung oder Löschung von Kommunikationen Dritter nach § 3 Abs. 2 NetzDG ist noch kein Eingriff in die Informationsfreiheit z. B. zu Lasten von Journalisten (BVerfG, NVwZ 2019, 1125-1126).

Der Ausschluss eines Strafgefangenen von der Nutzung des Teletextes im Fernsehen (der zur Sendung von Botschaften Dritter benutzt werden kann) ist jedoch ein Eingriff in die Informationsfreiheit, der durch die damit geschaffene Gefahr gerechtfertigt sein kann (OLG Koblenz, 15.4.2020, 2 Ws 131/19 Vollz).

Literatur:

Gurlit, Elke: Informationsbeschaffung der Medien. In: AfP, 2020, S. 9-20.

Jarass, Hans D.; Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar. Art. 5 Abs. 1 (Informationsfreiheit). 16. Auflage. München [CH. Beck] 2020, Art. 5 Rn. 21-30.

Ridder, Helmut: Meinungsfreiheit. In: Neumann, Franz L., Hans Karl Nipperdey; Ulrich Scheuner (Hrsg.): Die Grundrechte. Band 2. 2. unveränd. Auflage. Berlin [Duncker & Hubloth] 1968, S. 243-290.

Ridder, Helmut: Das Zensurverbot. In: AfP, 1969, S. 882-885.

Schemmel, Jakob: Soziale Netzwerke in der Demokratie des Grundgesetzes. Der Staat, 57, 2018, S. 501-527.

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Karl-Heinz Ladeur
*1943, Prof. Dr. Dr. h. c. (Fribourg/CH), Studium der Rechtswissenschaft in Köln und Bonn, Professor für Öffentliches Recht in Bremen, Hamburg, Florenz (EHI), Veröffentlichungen insbes. zum Medienrecht, Verfassungsrecht, Rechtstheorie.