Medienregulierung

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Wortherkunft: ‚Medien‘, von lat. medium, das Mittlere, Institution mit organisatorischem und technischem Apparat zur Vermittlung von Informationen, Meinungen, kulturellen Inhalten o. ä.; ‚Regulierung‘, von lat. regulare, ordnen, einrichten, von einer Autorität ausgehende Zusammenstellung von Richtlinien oder Ordnung(en) (DWDS 2021).

Definition:
Medienregulierung umfasst alle staatlichen Maßnahmen zur gezielten Beeinflussung von Medienproduzent:innen und → Publikum. Dazu gehören sowohl gesetzliche Regulierungsmaßnahmen als auch finanzielle und andere Anreizsysteme sowie Institutionen der Selbst- und Ko-Regulierung auf gesetzlicher Grundlage (Seufert/Gundlach 2017: 31). Thematisch verwandt mit der Medienregulierung sind Medienpolitik sowie → Medienrecht.

Geschichte:
Geschichtlich ist die Medienregulierung eng verbunden mit der Auffassung von → Meinungsfreiheit und der Entwicklung von → Massenmedien. Eine frühe Form der Medienregulierung ist die Zensur als vorgeschaltete oder nachträgliche Sanktionierung medialer Veröffentlichung. Im deutschen Kaiserreich regulierte ab 1874 das Reichspreßgesetz insbesondere die strafrechtliche Verantwortung und den Zugang zur Presse. In der Weimarer Republik wurde der Presse zwar Meinungsfreiheit zugebilligt. Der Ehrenschutz hebelte diese Meinungsfreiheit aber häufig aus. Ab 1933 etablierte der Nationalsozialismus ein umfassendes und zentralisiertes Überwachungssystem aller Produktionsschritte und Veröffentlichungen (Ladeur 2018).

Das → Mediensystem in der Bundesrepublik sollte eine solche zentrale Steuerung durch die Politik verhindern. Medienpolitik und Rundfunkhoheit wurden deshalb den Bundesländern zugeordnet. Die Medien sollten zugunsten der → Pressefreiheit möglichst wenig reguliert werden (Papier/Möller 1999). Die DDR etablierte ein durch die Regierung zentral gesteuertes Mediensystem, das sowohl Struktur als auch → Inhalte kontrollierte (Holzweißig 2002).

In der Bundesrepublik begann das Bundesverfassungsgericht in den 1950er Jahren, das Verständnis von Medienregulierung mit ihren Zielen und Grenzen zu konkretisieren. Im Lüth-Urteil von 1958 wurde den Medien erstmals eine öffentliche Aufgabe in der demokratischen Gesellschaft zugeordnet (Ladeur 2018). Später konkretisierte das Bundesverfassungsgericht in den Fernsehurteilen die Unabhängigkeit der Medien vom Staat sowie die Aufgaben von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk (Papier/Möller 1999).

Nach der Einführung des privaten Rundfunks regulierte ab 1991 der Rundfunkstaatsvertrag → Radio und Fernsehen. Seitdem sind die Landesmedienanstalten für Lizensierung und Werbeaufsicht des privaten Rundfunks zuständig. Die Entwicklung internetbasierter Medien führte 2020 zur Ablösung des Rundfunkstaatsvertrags durch den Medienstaatsvertrag.

Gegenwärtiger Zustand:
Print- und internetbasierte Medien unterliegen weniger Regulierung als der Rundfunk. Hier gelten die Landespressegesetze sowie andere, nicht-medienspezifische gesetzliche Regelungen. Dazu gehören neben dem Grundgesetz u. a. das Persönlichkeits-, Urheber-, Wirtschafts-, Wettbewerbs-, Datenschutz- und Strafrecht sowie der Jugendschutz. Auf wirtschaftlicher Ebene ist hier auch das EU-Recht zu nennen, insbesondere Wettbewerbs-, Urheber- und Leistungsschutzrecht (Seufert/Gundlach 2017).

Geprägt ist die Medienregulierung sowohl von kommunikations- als auch von wirtschafts- und industriepolitischen Zielen. Den kommunikationspolitischen Zielen liegt das Verständnis von gesellschaftlichen und kulturellen Funktionen von Medien zugrunde. Das bezieht sich sowohl auf die Medienstrukturen (z. B. → Unabhängigkeit, → Vielfalt, Teilhabe) als auch auf Medieninhalte (z. B. kulturelle Identität, Kritik-/Kontrollfunktion, Pluralismus). Wirtschaftspolitische Ziele beziehen sich im Wesentlichen auf Wettbewerbsbedingungen (u. a. Medienkonzentration), industriepolitische Ziele auch auf regionale Wirtschaftsförderung (Seufert/Gundlach 2017).

Wichtige Akteure der Medienregulierung sind die Bundesländer, die im föderalen System für die Medien zuständig sind. Jedes Bundesland hat ein eigenes System für privaten Rundfunk, also Hörfunk und Fernsehen, das von unterschiedlichen medienpolitischen Zielen geprägt ist. Die Aufsicht über den privaten Rundfunk übernehmen die Landesmedienanstalten, die in bundesweiten Belangen kooperieren. Weitere Aufgaben sind der Jugendmedienschutz und die Medienkompetenz (Medienanstalten 2021). Die Bundesländer handeln Regulierungsinstrumente auf Bundesebene aus. Dazu gehören der Medienstaatsvertrag und der Jugendmedienschutz. Kommissionen, z. T. als Expertenräte, erfüllen übergeordnete Aufgaben.

Die Landesmedienanstalten übernehmen darüber hinaus Aufgaben in Ko- bzw. Selbstregulation. Diesem Prinzip folgen auch die internen Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender und Kommissionen wie die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, oder die KEK, die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich. Ähnliches gilt für den Jugendmedienschutz.

Neben gesetzlichen Regelungen und Staatsverträgen sowie den Regulierungsinstitutionen wie die Landesmedienanstalten, die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sender und Expertenräte bzw. Kommissionen gibt es weitere Instrumente der Medienregulierung. Dazu gehören finanzielle Anreizsysteme wie die Kulturförderung, die medienspezifische Wirtschaftsförderung sowie gezielte Besteuerung oder Steuerentlastung. Seufert/Gundlach (2017: 147) sprechen hier von einem institutionellen Arrangement. Dabei werden Rahmenbedingungen zwischen den Akteuren immer wieder neu ausgehandelt, abhängig von ihrem jeweiligen Einfluss und den z. T. widerstreitenden Zielen. Eine Maßnahme mag beispielsweise aus wirtschaftspolitischer Sicht erfolgreich sein, aber Persönlichkeitsrechte oder demokratische Normen in Frage stellen.

Medienregulierung in Deutschland ist geprägt von vielfältigen, parallel bestehenden Rahmenbedingungen und Akteuren. Eine Vereinheitlichung würde dem medienpolitischen Ziel der Vielfalt entgegenstehen. Gleichzeitig erzwingt die dezentrale Struktur bei übergeordneten Fragen einen Konsens der jeweils relevanten Akteure. Dieses System ist durch die Digitalisierung und Ländergrenzen überschreitende Medienplattformen unter Druck geraten. Das hat zu einem Anpassungsprozess sowohl auf politischer Ebene wie auch in der Gesetzgebung geführt, der noch nicht abgeschlossen ist. Zu nennen sind hier beispielsweise das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Urheber- und Leistungsschutzrecht, die Medienkonzentrationsbestimmungen, der Datenschutz sowie die Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten. Die Rahmenbedingungen werden zunehmend auch international ausgehandelt, insbesondere auf EU-Ebene. Dabei standen zunächst meist wirtschaftspolitische Ziele im Vordergrund. Zunehmend werden individuelle und demokratiesichernde Ziele und Maßnahmen diskutiert. Ganz zentral ist hier die Rolle der internationalen Medienkonzerne und die Frage der Durchsetzung von nationalem wie internationalem Recht, aktuell beispielsweise beim Urheber- und Leistungsschutzrecht oder bei der Gestaltung der Algorithmen der sozialen Netzwerke.

Forschungsstand:
Seufert und Gundlach geben in Medienregulierung in Deutschland (2017) einen umfassenden Überblick und gehen dabei auf theoretische und rechtliche Grundlagen ein. Dirk Arnold vergleicht in Medienregulierung in Europa (2014) Instrumente und Formen der Regulierung in den EU-Mitgliedsstaaten. Er identifiziert vier Medienregulierungsstile, die sich in der Umsetzung von EU-Politik, Maßnahmen für Online-Medien und die Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure unterscheiden. 2021 legten Bayer, Holznagel, Korpisaari und Woods den Sammelband Perspectives on Platform Regulation vor, in dem sie Regulierungskonzepte → sozialer Medien international betrachten. Unter anderem beschäftigen sich die Aufsätze mit Ansätzen zur Bekämpfung von Desinformation, zur Förderung von Persönlichkeits- und Datenschutz sowie mit demokratietheoretischen Fragen. Rimscha, Studer und Puppis diskutieren in ihrem Sammelband Methodische Zugänge zur Erforschung von Medienstrukturen, Medienorganisationen und Medienstrategien (2016). Dabei gehen die Autorinnen und Autoren auf interdisziplinäre Forschungsmethoden und eine Vielzahl von Anwendungsfeldern ein, darunter auch Lösungsansätze für das Problem der international vergleichenden → Mediensystemforschung.

Medienregulierung wird auch in der Medienpolitik thematisiert. Beispielsweise analysiert Berghofer (2017) die Globale Medien- und Kommunikationspolitik. Löblich (2017) diskutiert in einem Aufsatz die Legitimität in der Medienpolitik. Donders, Pauwel und Loisen legten 2014 The Palgrave handbook of European media policy vor, darin theoretische Aspekte (u. a. Nowak 2014) und Fallbeispiele. Zuletzt vermehrt disktutiert wird der Begriff der ‚Medien-Governance‘, der neben den staatlichen Akteurinnen und Akteuren auch Zivilgesellschaft und Wirtschaft in die Analyse einbezieht (u. a. Donges/Puppis 2019; Kleinsteuber/Nehls 2011).

Literatur:

Arnold, Dirk: Medienregulierung in Europa. Vergleich der Medienregulierungsinstrumente und -formen der EU-Mitgliedsstaaten vor dem Hintergrund technischer Konvergenz und Europäisierung. Baden-Baden [Nomos] 2014.

Bayer, Judit; Holznagel, Bernd; Korpisaari, Päivi; Woods, Lorna (Hrsg.): Perspectives on Platform Regulation. Concepts and Models for Social Media Governance. Across the Globe. Reihe Recht und Digitalisierung, Bd. 1, Baden-Baden [Nomos] 2021.

Berghofer, Simon: Globale Medien- und Kommunikationspolitik. Konzeption und Analyse eines Politikbereichs im Wandel. Baden-Baden [Nomos] 2017.

Donges, Patrick; Puppis, Manuel: Kommunikations- und medienpolitische Perspektiven: Internet Governance. In: Schweiger, Wolfgang; Klaus Beck (Hrsg.): Handbuch Online-Kommunikation. 2. Auflage, Wiesbaden [Springer VS] 2019, S. 81-103.

DWDS: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. https://www.dwds.de [18.11.21]

Holzweißig, Gunter: Die schärfste Waffe der Partei. Eine Mediengeschichte der DDR. Köln, Weimar, Wien [Böhlau] 2002.

Kleinsteuber, Hans J.; Sabine Nehls (Hrsg.): Media Governance in Europa: Regulierung – Partizipation – Mitbestimmung. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2011.

Ladeur, Karl-Heinz: Geschichte und Theorie der Medienregulierung. In: Lewinski, Kai von (Hrsg.): Immersiver Journalismus. Technik – Wirkung – Regulierung. Bielefeld [transcript Verlag] 2018, S. 101-126.

Landesmedienanstalten: Die Landesmedienanstalten. Über uns. Aufgaben. https://www.die-medienanstalten.de/ueber-uns/aufgaben [02.12.2021]

Löblich, Maria: Legitimität in der Medienpolitik. Eine strukturationstheoretische und neo-institutionalistische Perspektive. In: Publizistik, Bd. 62 (4), 2017, S. 425-443.

Nowak, Eva: Between economic objectives and public remits. Positive and negative integration of European media policy. In: Donders, Karen; Caroline Pauwels; Jan Loisen (Hrsg.): The Palgrave handbook of European media policy. Basingstoke u. a. [Palgrave Macmillan] 2014, S. 96-109.

Papier, Hans-Jürgen; Johannes Möller: Presse- und Rundfunkrecht. In: Wilke, Jürgen (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Köln, Weimar, Wien [Böhlau] 1999, S. 449-468.

Seufert, Wolfgang; Hardy Gundlach: Medienregulierung in Deutschland. Ziele, Konzepte, Maßnahmen. Handbuch für Wissenschaft und Studium. 2., aktualisierte Auflage, Baden-Baden [Nomos] 2017.

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Eva Nowak
*1965, Prof. Dr., ist seit 2006 Professorin für Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. Sie studierte Journalistik an der Universität Dortmund, wo sie später die Hörfunk- und Fernsehausbildung mit aufbaute, arbeitete als freiberufliche Journalistin und war Ausbildungsleiterin an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. 2013 war Eva Nowak Visiting Academic Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Journalistenausbildung, Medienregulierung und die Zukunft des Journalismus. Kontakt: wak@jade-hs.de